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Die Augen des Drachen - Roman

Die Augen des Drachen - Roman

Titel: Die Augen des Drachen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ist keine Krönung erfolgt, aber die Krönung ist nur ein öffentliches Ereignis. Trotz aller Feierlichkeit ist sie bloß Schaugepränge, nichts Substanzielles. Gott, das Gesetz und die Sonne machen einen König, und nicht die Krönung. In diesem Augenblick seid Ihr König und rechtmäßig befugt, mir Befehle zu erteilen, wie uns allen hier und dem ganzen Königreich. Das bringt uns in ein schreckliches Dilemma. Seid Ihr Euch dessen bewusst?«
    »Ja«, sagte Peter. »Ihr denkt, ich sei ein Mörder.«

    Peyna überraschte diese Unverblümtheit ein wenig, aber er war nicht unglücklich darüber. Peter war immer ein unverblümter, offener Junge gewesen; ein Jammer, dass sich unter dieser Offenheit solche Tiefen der Berechnung aufgetan hatten; wichtig jedoch war, dass diese Offenheit, wahrscheinlich die Folge törichter Kühnheit des Jungen, die Entwicklung beschleunigen konnte.
    »Es spielt keine Rolle, was wir glauben, mein Lord. Es ist Sache des Gerichts, über Schuld oder Unschuld zu befinden - das wurde mir beigebracht, und ich glaube von ganzem Herzen daran. Es gibt nur eine einzige Ausnahme. Könige stehen über dem Gesetz. Versteht Ihr das?«
    »Ja.«
    »Aber …« Peyna hob den Finger. » Aber dieses Verbrechen wurde begangen, bevor Ihr König wart. Soweit mir bekannt ist, befand sich das Gericht von Delain noch niemals in einer so schrecklichen Situation. Die möglichen Folgen sind fürchterlich. Anarchie, Chaos, Bürgerkrieg. Um all das zu vermeiden, mein Lord, brauchen wir Eure Hilfe.«
    Peter sah ihn ernst an. »Ich werde helfen, wenn ich es vermag«, sagte er.
    Und ich hoffe - ich bete -, dass du in das einwilligen wirst, was ich vorschlagen werde, dachte Peyna. Er bemerkte, dass sich wieder Schweiß auf seiner Stirn gebildet hatte, aber dieses Mal wischte er ihn nicht weg. Peter war noch ein Junge, aber ein aufgeweckter Junge - er könnte es als Zeichen der Schwäche deuten. Du wirst sagen, dass du zum Wohl des Königreichs zustimmst, aber ein Junge, der den monströsen, irrsinnigen Mut aufbringt, den eigenen Vater zu ermorden, ist auch, hoffe ich, ein Junge, der sich der Hoffnung hingibt, er könnte
damit durchkommen. Du wirst denken, wir helfen dir dabei, die Sache zu vertuschen, aber da irrst du dich gewaltig, mein Lord.
    Flagg, der diese Gedanken fast lesen konnte, hob die Hand vor den Mund, um ein Lächeln zu verbergen. Peyna hasste ihn, aber ohne es zu wissen, war Peyna zu seinem Helfer Nummer eins geworden.
    »Ich möchte, dass Ihr die Krone ablehnt«, sagte Peyna.
    Peter sah ihn ernst und überrascht an. »Auf den Thron verzichten?«, fragte er. »Ich … ich weiß nicht, mein Lord Oberster Richter. Ich muss darüber nachdenken, bevor ich Ja oder Nein sage. Man könnte dem Königreich schaden, indem man versucht, ihm zu helfen - wie ein Arzt einen Kranken töten kann, wenn er ihm zu viel Medizin verabreicht.«
    Der Bursche ist schlau, dachten Flagg und Peyna gleichzeitig.
    »Ihr missversteht mich. Ich verlange keinen Verzicht auf den Thron. Ich bitte lediglich darum, dass Ihr die Krone nicht beansprucht, ehe diese Sache aufgeklärt ist. Sollte man Euch von der Anklage des Mordes an Eurem Vater freisprechen …«
    »Was zweifellos geschehen wird« sagte Peter. »Wenn mein Vater regiert hätte, bis ich selbst alt und zahnlos bin, so wäre ich glücklich darüber gewesen. Ich wollte ihm nur dienen, ihn unterstützen und ihn lieben, mit allem, was ich tat.«
    »Aber Euer Vater ist tot, und die Indizien sprechen gegen Euch.«
    Peter nickte.
    »Spricht man Euch frei, bekommt Ihr die Krone. Spricht man Euch schuldig...«

    Die Großen Anwälte schienen nach dieser Bemerkung nervös zu werden, aber Peyna zauderte nicht.
    »Spricht man Euch schuldig, werdet Ihr an die Spitze der Nadel gebracht, wo Ihr bis zu Eurem Lebensende bleiben werdet. Niemand aus der königlichen Familie darf hingerichtet werden. Dieses Gesetz ist tausend Jahre alt.«
    »Und Thomas würde König werden?«, fragte Peter nachdenklich. Flagg spannte sich ein wenig an.
    »Ja.«
    Peter runzelte nachdenklich die Stirn. Er sah schrecklich müde aus, aber nicht verwirrt oder ängstlich, und Flagg verspürte eine leise Regung von Angst.
    »Und wenn ich mich weigere?«
    »Wenn Ihr Euch weigert, dann werdet Ihr zum König gekrönt, obwohl schwerwiegende Vorwürfe noch nicht aus der Welt geschafft sind. Viele Eurer Untertanen - die meisten, im Licht der belastenden Beweise - werden glauben, dass sie von einem jungen Mann regiert werden, der

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