Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr

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sich an die allerletzte Hoffnung zu klammern. Als er die Zigarette auf den Boden fallen ließ und die Glut austrat,
    überschlug sich ihr Herz einmal. Da war eine Hand auf dem Boden statt der Zigarettenkippe. Die rechte Hand von Albert Retling. Und er zertrat sie.
    Dann ging er zur Tür und die Treppe hinauf. Ihr wurde übel.
    Wenn kleine Mädchen vernünftig sind! Und ganz genau wissen!
    Was gut für sie ist! Eine verschwiegene Pistole im Koffer konnte nicht gut sein. Wenn er herunterkam, würde er sie töten, das wußte sie. Da half auch der Brenner nicht.
    Eddi, ich liebe dich. Es tut mir leid, Eddi. Es tut mir so entsetzlich leid. Ich dachte, ich könnte es schaffen. Ich dachte, ich wüßte genug über ihn. Ich wußte ja auch sehr viel, alles, was du mir erklärt hast. Ich weiß nur nicht mehr, ob das alles richtig war.

    Vom Stuhl aufstehen konnte sie nicht. Sie schloß die Augen, als sie seine Schritte durch die Diele kommen hörte. Dann auf der Treppe, dann im Gang. Und die letzten paar bis zum Tisch. Er sagte nichts, wozu auch noch? Sie wartete. Wenn er wollte, daß sie die Augen noch einmal öffnete, daß sie ihn anschaute, während sie starb, würde er seinen Willen nicht bekommen.
    Vielleicht starb sie bereits. Hatte den Schuß überhört, den Schmerz nicht gefühlt. Im Kopf rauschte es nur noch, hinter den geschlossenen Lidern zuckten Farbblitze auf, der Atem ging stoßweise und nur noch an der Oberfläche. Er mußte direkt vor ihr stehen. Er genoß es, die Todesangst von ihrem Gesicht abzulesen, natürlich genoß er es. Er war genau der Typ, Ed hatte ihr das immer wieder erklärt, genau der Typ. Grausam, berechnend, eiskalt. Aber Ed existierte nicht. Ed hatte sie getäuscht, ihr etwas vorgegaukelt, sie ganz bewußt belogen und in die Irre geführt.
    Seine Lippen waren warm. Er strich damit über ihre Wange zum Mundwinkel. Sie fühlte plötzlich seine Hand im Nacken und die andere unter dem Kinn. Auch seine Hände waren warm,
    keine Spur von kaltem Stahl. Er bog ihren Kopf eine wenig zurück. Sie hörte ihn flüstern:

    »Du bist süß, Püppi. Aber wenn wir jetzt anfangen, kommen wir nicht mehr auseinander. Und du solltest dich vorher wirklich ein bißchen waschen. Nicht, daß ich meckern will, aber nach Veilchen duftest du nicht mehr. «

    Während er flüsterte, blieben seine Lippen an ihrem
    Mundwinkel. Nur die Lippen. Es war fast so wie früher, weich, traumhaft. Sie begriff es nicht, begriff gar nichts mehr. Wußte nicht, was sie fühlen und was sie glauben sollte. Warum hatte Eddi sie belogen? Niemand log ohne Grund! Warum hatte Eddi darauf bestanden, dieser Mann sei ein Teufel, grausam und unberechenbar, kaltblütig, gar nicht fähig, einen anderen Menschen zu lieben. Sie liebte er doch ganz offensichtlich.
    Den Koffer hatte er bei der Tür abgestellt. Er lächelte sie an, die Lider halb über die Augen gesenkt.

    »Geh «, murmelte er,

    »wasch dich ein bißchen. Und dann komm her. Und wenn’s zwölf andere waren vor mir, dann bin ich eben der dreizehnte.
    Wen interessiert das noch? Die Dreizehn bringt Glück, man muß nur daran glauben. «

    Er sprach mit deutlicher Erregung in der Stimme. Sie starrte ihn an, begriff es immer noch nicht so ganz, aber sie nickte.

    »Nur du mußt daran glauben «, sagte sie, war glücklich in dem Moment, weil sie es auch konnte, täuschen, in die Irre führen, Worte aussprechen, die nach etwas klangen, was sie nicht waren. Und sie war auch überzeugt davon, daß sie es schaffen würde. Sie wollte ihm nicht weh tun, das nicht, ihm nur die Waffe zeigen.

    »Es ist vorbei, Heiko. Ruf deinen Freund herunter. «

    Und sie beide in der Werkstatt einschließen, die Retlings aus dem Haus bringen, zurück zu Eddi, die Polizei rufen, so weiterleben wie vorher. Vielleicht mit der Gewißheit, daß er sie doch irgendwie geliebt hatte, auf seine Art. Aber sie liebte ihn nicht mehr, hatte vor langer Zeit damit aufgehört, hatte seitdem nur noch Angst.
    Er verzog die Lippen zu einem Lächeln. Es war ein seltsames
    Lächeln, genaugenommen waren es sogar zwei, eins, das um seine Lippen spielte, und eins, das nur in den Augen hockte. Sie waren sehr verschieden voneinander. Aber das bemerkte sie nicht.
    Und mit diesen beiden Lächeln sagte er:

    »Du auch, Püppi. «

    Sie war viel zu aufgeregt, um auf irgendwelche Untertöne zu achten, nahm den Koffer und ging mit leichten Schritten zum Waschraum. Sie hätte singen mögen, tat das auch, zumindest summte sie.
    Bis sie den Koffer