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Die Augen Rasputins

Die Augen Rasputins

Titel: Die Augen Rasputins Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Hammesfahr
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vergangenen vierzehn Tagen viel unterwegs gewesen war. Zusammen mit so einem lustigen Vogel, der das Herz von Schramms Mutter mit ein paar lächerlichen
    Kabarettstückchen geschmolzen hatten.
    Ein netter Mensch, Heikos Freund. Ein Gemüt wie ein Kind, schaute sich gerne Zeichentrickfilme an. Und konnte unseren Kanzler nachahmen, originalgetreu.
    Abends saßen sie zusammen und träumten von der Zukunft.
    Von besseren Zeiten. Von Liebe, von Frauen. Und manchmal gingen sie abends noch einmal weg, der Komiker, um sich ein bißchen Zärtlichkeit zu kaufen, Heiko nur, um andere Gesichter zu sehen. Keine Frau, für ihn nicht. Er konnte die eine nicht vergessen, sprach von nichts anderem, wenn er mit seiner Mutter allein war.
    Und Dorothea sprach fast eine Viertelstunde darüber, alles gipfelte wieder in der Erkenntnis: Er liebt sie, er liebt sie über alles. Er hat sie damals geliebt. Und es hat sich nichts geändert.
    Und dabei konnte Edmund ihr wirklich nicht mehr zuhören.

    Nachdem sie sich erst hingelegt hatte, machte ein Teil ihres Hirns sich selbständig. Sie wußte nicht, ob sie schlief oder noch einmal die Treppen hinaufstieg. Und zur Haustür. Und die war gar nicht verschlossen, ließ sich plötzlich so leicht öffnen. Und Ed stand davor, legte ihr gleich eine Hand auf den Mund, damit sie die beiden Teufel nicht mit einem Freudenschrei alarmierte.
    In der anderen Hand hielt Ed eine Pistole.
    Damit bedeutete er ihr, zurück in den Keller zu gehen und dort
    die Tür hinter sich zu schließen.
    Sie wies mit dem Kopf in Richtung Obergeschoß, und Ed nickte beruhigend. Er wußte, daß die Retlings dort waren. Er wußte alles. Und dann sah sie auch, daß er nicht alleine gekommen war. Hinter ihm wimmelte es nur so von
    uniformierten Gestalten, einige davon trugen Gewehre bei sich.
    Und auf den Gewehren waren Zielfernrohre und
    Nachtsichtgeräte aufgesetzt. Sie waren auf alles eingerichtet.
    Und am besten war noch die Zuversicht auf den Gesichtern. Wie sie Ed anschauten, wie sie auf sein Kommando warteten.
    Er gab das Zeichen erst, nachdem er sie behutsam zur
    Kellertreppe geschoben und sich vergewissert hatte, daß sie auch tatsächlich nach unten ging. Dann hob er die Hand, und überall in den Büschen wurde es lebendig.
    Es mußten mehr als hundert sein, und sie kamen völlig lautlos, füllten die Diele, schwärmten ins Wohnzimmer, betäubten den Dicken, bevor der auch nur ahnte, wie ihm geschah. Sie sah das alles, obwohl sie in der Werkstatt war, nur ihr Ohr gegen die Stahltür drücken konnte und doch nichts anderes hörte als den eigenen Atem und den wahnsinnigen Herzschlag. Und Ed stieg hinauf, ganz allein. Er mußte das tun, ganz allein. Und er war der einzige, der es tun konnte. Keiner von den Polizisten hätte es geschafft, dem Blick standzuhalten, der dort oben auf sie wartete. Sein Blick! Er war ganz dicht über ihr. So sanft und zart, so weich und liebevoll. Und seine Stimme, das zärtliche:

    »Gut geschlafen, Püppi? «

    Es war alles so real. Sein Atem auf ihrem Gesicht, als er sich tiefer beugte. Die Spur von Feuchtigkeit auf der Stirn, als seine Lippen darüber strichen. Der herbe Geruch seines Rasierwassers und der Duft von Kaffee. Und sein Flüstern:

    »Na, komm schon, du Murmeltier, Frühstück. Den Kaffee hab’ ich höchstpersönlich für dich gemacht. Der weckt selbst Tote auf. «

    Tote auf! Auf in den Kampf, auf zum Sterben. Sie mußte Ed
    warnen. Er war in die falsche Richtung gegangen. Dabei hätte er es doch wissen müssen. Teufel hielten sich immer unten auf.
    Die Unterwelt. Und sie mitten darin. Und Satan vor ihr.
    Die Nacht hatte etwas in ihr zerbrochen. Das Begreifen zerbrach auch noch den Rest. Sie konnte sich nicht rühren. Ed war nicht gekommen. Ed, der ihr sieben Jahre lang die Zusammenhänge erklärt hatte, und nicht nur die, damit sie verstand. Ed hatte nicht verstanden. Es war unmöglich, die Erkenntnis zu akzeptieren.

    »Was ist denn, Püppi? Immer noch nicht ganz da? Na,
    komm! «

    Diese Stimme! All die feinen Untertöne darin,
    Besorgnis, eine Spur von Unsicherheit, Zwei Hände unter ihren Achseln. Sie waren so heiß. Und dieser Gestank. Wie im Sterbezimmer ihrer Mutter. Sie hatte ihn noch immer in der Nase. Aber sie saß jetzt aufrecht auf der Liege, rieb sich mit beiden Händen durchs Gesicht. Und über die Stirn. Dort war immer noch ein Hauch von Feuchtigkeit. Er brachte sie fast um.
    Sie konnte kaum stehen. Er half ihr zum Tisch hinüber, drückte sie auf den Stuhl

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