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Die Auserwählte

Die Auserwählte

Titel: Die Auserwählte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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die weitläufigen Marschen des Forth nach Westen schauten, konnten wir die Bäume an der Biegung des Flusses ausmachen, wo das Haus der Woodbeans und die Gemeinde lagen. Nervosität überkam mich, und mir wurde fast übel davon, doch ich bemühte mich, nicht davon übermannt zu werden.
    Als wir wieder ins Hotel kamen, befürchteten wir kurz, wir hätten Großtante Zhobelia verloren, denn Morag und Ricky wollten gerade schon die Polizei rufen, da Zhobelia nicht in ihrem Zimmer und auch sonst nirgendwo zu finden war. Dann tauchte meine Großtante unvermittelt aus der Küche auf, in eine Unterhaltung mit dem Koch vertieft.
    Wir tranken wieder Tee. Ich fragte Sophi immer wieder, wie spät es sei. Der Nachmittag schleppte sich dahin. Zhobelia ging wieder aufs Zimmer, um sich eine Seifenoper anzugucken, kam aber schon wenige Minuten später zurück und erklärte, es sei einfach nicht dasselbe, wenn man die Sendung ohne die anderen alten Damen schaute. Und dann war es an der Zeit aufzubrechen, und wir brachen auf; Großtante Zhobelia und ich in Sophis Auto, Morag in ihrem weißen Ford Escort Cabrio. Ricky blieb vorerst im Hotel.
    Keine zehn Minuten später hatten wir das Tor von High Easter Offerance erreicht.

 
Kapitel
Achtundzwanzig
     
     
    Wir ließen die Autos am Tor stehen und gingen zu Fuß die schattige Auffahrt hinunter. Mein Magen fühlte sich riesig und hohl an und hallte vom Schlag meines pochenden Herzens wider.
    »Soll ich mitkommen?« fragte Sophi, kurz bevor wir das Haus erreichten.
    »Bitte«, sagte ich.
    »Also gut«, erwiderte sie und zwinkerte mir zu.
    Wir halfen Großtante Zhobelia über die Brücke über den Forth. Sie kicherte, als sie sah, wie heruntergekommen die Brücke mittlerweile war. »O ja. Ich denke, hier sind wir vor Tigern sicher!« lachte sie.
    Wir gingen langsam den gewundenen Weg zu den Gebäuden entlang. Zhobelia nickte wohlwollend, als sie die neu verfugte Mauer des Obstgartens sah, schüttelte aber den Kopf über den Zustand des Rasens vor den Gewächshäusern und tadelte lautstark die beiden verantwortlichen Ziegen, die im Gras lagen, wiederkäuten und uns mit unbeteiligter Dreistigkeit anstierten.
    Die Pforte des Torwegs, der in den Hof führte, war geschlossen. Das war nicht ungewöhnlich, wenn ein großer Gottesdienst abgehalten wurde. Es kam mir in den Sinn, daß es vielleicht besser sein könnte, den Umweg zu nehmen, und so öffneten wir die Tür zum Gewächshaus und gingen dort hindurch.
    Zhobelia roch an einigen Blüten und stocherte in der Erde in den Blumentöpfen. Ich hatte den Eindruck, daß sie nach Verfehlungen suchte. Ich wischte mir meine schweißnassen Hände an der Hose ab.
    Ein furchtbarer Gedanken schoß mir durch den Sinn. Ich ließ Morag und Sophi ein Stück vorausgehen, während ich Zhobelia beiseite nahm, die gerade ein kompliziertes System hydroponischer Leitungen betrachtete.
    »Großtante«, sagte ich leise.
    »Ja, mein Kind?«
    »Mir ist gerade etwas eingefallen. Hast du… sonst noch jemand von dem kleinen Buch und dem Geld erzählt?«
    Sie schaute einen Moment lang verwirrt drein, dann schüttelte sie den Kopf. »O nein, nie.« Sie beugte sich dichter zu mir und senkte ihre Stimme. »Aber ich bin froh, daß ich es dir erzählt habe, o ja. Ist eine ganz schöne Bürde gewesen, das kann ich dir flüstern. Jetzt sollte man das Ganze am besten vergessen, wenn du mich fragst.«
    Ich seufzte. Gut, doch meine Zuversicht war erschüttert. Wenn ich bis jetzt nicht daran gedacht hatte, was war mir sonst noch entgangen? Nun, inzwischen war es etwas zu spät, um noch umzukehren. Sophi und Cousine Morag wartete am anderen Ende des Gewächshauses. Ich lächelte ihnen zu, dann ergriff ich sanft Zhobelias Ellenbogen. »Komm jetzt, Großtante.«
    »Ja. Eine Menge Rohre, was? Alles sehr kompliziert.«
    »Ja«, erwiderte ich. »Alles sehr kompliziert.«
    Wir traten aus der feuchten, schwül duftenden Wärme des Gewächshauses, direkt neben der Tür, durch die ich mich einige Tage zuvor geschlichen hatte, um in das Büro einzubrechen. Wir gingen weiter, an den Klohäuschen und einigen alten Bussen und Lieferwagen vorbei, die zu Schlafräumen und zusätzlichen Gewächshäusern umfunktioniert worden waren. Zhobelia klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Karosserie eines alten Reisebusses.
    »Ein bißchen verrostet«, sagte sie schnüffelnd.
    »Ja, Großtante«, erwiderte ich und sah davon ab, sie darauf hinzuweisen, daß es sich bei der Karosserie um Aluminium

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