Die Auserwählten - Im Labyrinth (German Edition)
die Füße, wo er mit hängendem Kopf dastand und niemanden ansah.
»Das, was dich erwartet, hast du dir selbst zuzuschreiben, Ben«, sagte Alby. Dann schüttelte er den Kopf und sah in Richtung Schuppen, in den Newt gerade verschwand.
Thomas folgte seinem Blick und sah Newt zur angelehnten Tür herauskommen. Er hatte mehrere Aluminiumstangen in der Hand, die er ineinandersteckte, so dass eine an die sechs Meter lange Rute entstand. Dann fasste er nach etwas seltsam Geformtem an einem Ende und schleifte das Ding hinter sich her. Das metallische Schaben des Stabs auf den Steinplatten, während Newt auf sie zukam, ließ es Thomas eiskalt den Rücken herunterlaufen.
Thomas war wie gelähmt vor Entsetzen – er konnte einfach nichts gegen das Gefühl tun, dass er irgendwie verantwortlich dafür war, auch wenn er nichts getan hatte, um Ben zu provozieren. Aber wie konnte es seine Schuld sein? Ihm fiel kein Grund ein, aber schuldig fühlte er sich trotzdem.
Schließlich trat Newt vor Alby und überreichte ihm das Ende der Stange, das er in der Hand gehalten hatte. Jetzt konnte Thomas das verquere Anhängsel erkennen. Es war eine Schlinge aus grobem Leder, die an die Metallstange getackert war. Die Schlinge konnte mit einem großen Druckknopf geöffnet und geschlossen werden. Jetzt war ihr Zweck klar.
Es war ein Halsband.
Thomas sah zu, wie Alby das Halsband aufschnappen ließ und es Ben um den Nacken legte. Als der Druckknopf mit einem lauten Popp zuschnappte, blickte Ben schließlich auf. Tränen standen ihm in den Augen, der Rotz lief ihm aus den Nasenlöchern. Die Lichter sahen schweigend zu.
»Bitte, Alby«, flehte Ben mit einem so jämmerlichen Stimmchen, dass Thomas es nicht glauben konnte: Das sollte derselbe Kerl sein, der ihm am Vortag noch die Kehle durchbeißen wollte? »Ich schwör’s dir. Ich war nur völlig neben mir wegen der Verwandlung. Ich hätte ihn nie umgebracht – ich war nur ganz kurz nicht richtig da. Bitte, Alby, bitte .«
Jedes Wort des Jungen war für Thomas wie ein Faustschlag in die Magengrube, bei dem er sich immer schuldiger und verwirrter fühlte.
Alby gab keine Antwort; er zog an dem Halsband, um zu überprüfen, ob es richtig saß. Er ging an Ben und dem langen Stab vorbei, hob ihn vom Boden hoch und ließ ihn dabei durch die Hand gleiten. Als er ans Ende der Rute kam, nahm er sie fest in die Hand und drehte sich zu den anderen herum. Mit seinen blutunterlaufenen Augen, dem vor Wut verzerrten Gesicht und dem schweren Atem wirkte Alby auf einmal seltsam böse.
Der Anblick am anderen Ende war ebenfalls sehr seltsam: der zitternde, heulende Ben, eine Art dicke Hundeleine aus altem Leder um den mageren, bleichen Hals, die an einer langen Rute befestigt war und sich bis zum sechs Meter entfernten Alby erstreckte. Der Aluminiumschaft bog sich ein wenig in der Mitte durch, aber nur ein bisschen. Er wirkte überraschend stabil auf Thomas.
Alby sprach mit einer lauten, fast feierlichen Stimme und sah in die Runde. »Ben von den Baumeistern, du wirst zur Verbannung verurteilt für den versuchten Mord an Thomas dem Neuling. Die Hüter haben gesprochen und daran gibt’s nichts zu rütteln. Du kommst nicht mehr zu uns zurück. Nie mehr.« Eine lange Pause. »Hüter, nehmt euren Platz an der Verbannungsstange ein.«
Thomas fand es schrecklich, dass jetzt alle über Ben und ihn Bescheid wussten, und er hasste seine Schuldgefühle. Im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen würde das Misstrauen gegen ihn von neuem schüren. Seine Schuldgefühle wurden zu Wut. Er wollte einfach nur, dass Ben weg und alles vorbei war.
Ein Junge nach dem anderen trat aus der Menge vor und ging zu der langen Stange hin, die sie mit beiden Händen packten, als wollten sie Tauziehen spielen. Newt war einer von ihnen, genau wie Minho, was Thomas’ Vermutung bestätigte, dass er der Hüter der Läufer war. Zuletzt kam Winston der Schlitzer.
Als alle an ihrem Platz standen – elf Hüter im gleichmäßigen Abstand zwischen Alby und Ben –, wurde es mucksmäuschenstill. Nichts war mehr zu hören außer Bens erstickten Schluchzern. Er rieb sich immer wieder Augen und Nase und zuckte mit dem Kopf nach links und rechts, aber das Halsband hinderte ihn daran, die Stange und die Hüter hinter sich zu sehen.
Thomas’ Gefühle schlugen schon wieder um. Ganz offensichtlich stimmte etwas nicht mit Ben. Warum musste er so bestraft werden? Konnte man ihm denn nicht helfen? Würde Thomas sich den Rest seines
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