Die Ausgelieferten
eingesperrt. Die Behauptung, ein Flüchtling sei politisch extrem orientiert (das heißt aber links-, niemals rechtsorientiert) oder betreibe politische Propaganda, genügte für eine Internierung. Die Definition des Begriffs »Kommunismus« durch die Behörden war oft recht vage: häufig wurde Antinazismus bei Flüchtlingen als Indiz für eine Zugehörigkeit zur Kommunistischen Partei gewertet, und damit waren die Betroffenen abgestempelt. Im Lager von Långmora beispielsweise widmete man jeder Form von politischer Agitation große Aufmerksamkeit. Am 12. Oktober 1942 meldete ein Denunziant, dass einige Insassen des Lagers unter den Mitgefangenen politische (kommunistische) Propaganda betrieben. Die Sozialbehörde – federführend war in diesem Falle Inspektor Robert Paulsson – schlug hart zu. Nach gründlicher Vorbereitung rückte eine Abordnung von vierunddreißig Polizisten am 13. November 1942 ins Lager ein und verhaftete sechsundzwanzig Insassen. »Der Speisesaal wurde einer sorgfältigen Untersuchung unterworfen, die um 10.15 Uhr beendet war. Die Polizisten nahmen Leibesvisitationen vor. Die Insassen wurden in vier Gruppen eingeteilt. Um 11.15 Uhr war die Leibesvisitation beendet. Die Außentemperatur während der Leibesvisitation betrug etwa plus zehn Grad Celsius, das Wetter war ruhig und klar.«
Nach dieser Razzia brachten die Insassen viele Klagen über Brutalität und Rücksichtslosigkeit der Polizei vor; so war zum Beispiel ein Flüchtling gezwungen worden, allzu lange in Habtachtstellung dazustehen. Die Beschwerden wurden geprüft, von seiten der Polizei aber entschieden zurückgewiesen.
Das Ergebnis der Razzia war jedoch – wenn man von der Tatsache absieht, dass die Verhafteten nach Långholmen ins Gefängnis gebracht wurden – recht mager. Die Gerüchte über die politische Propaganda bestätigten sich trotz der intensiven und langwierigen Verhöre nicht. Über die beschlagnahmten verdächtigen Gegenstände gibt der Untersuchungsbericht der Kommission Auskunft. »Unter anderem wurden folgende Dinge angetroffen: eine Waffenskizze, ein Handbuch über moderne Waffen, eine schematische Darstellung einer 75-mm-Granate, eine chiffreähnliche Tabelle, eine Anzahl Bleistiftskizzen von Maschinenteilen sowie zwei Flaschen mit einer Flüssigkeit, von der man annahm, dass sie zur Herstellung von unsichtbarer Tinte dienen könnte. Die Skizzen scheinen für die Untersuchung des Falles ohne Belang gewesen zu sein. Von einigen der Bleistiftskizzen stellte man fest, dass es sich um Zeichnungen für eine einfache Drehbank handelte, während man die übrigen Skizzen nicht deuten konnte. Klar war jedoch, dass sie mit Waffen- oder Munitionstechnik nicht in Zusammenhang gebracht werden konnten. Bei der Untersuchung der erwähnten Flüssigkeit durch die kriminaltechnische Anstalt ergab sich, dass sie Kaliumpermanganat enthielt, das für die Zubereitung von Gurgelwasser benutzt wird.«
Im nächsten Frühjahr kam die Långmora-Razzia im Reichstag zur Sprache. »Unter den deutschen Kommunisten hat es Verbitterung hervorgerufen, dass sie wegen ihrer antifaschistischen Haltung jahrelang interniert oder ins Gefängnis gesteckt worden sind, während ganze Völker gegen die nazistische Barbarei kämpften.« »Eine kommunistische Geisteshaltung genügte schon, um den Betreffenden hinter Schloss und Riegel zu bringen.« Die im Reichstag geäußerten Ansichten sind selbstverständlich subjektiv. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass die meisten der sechsundzwanzig Inhaftierten länger als zwei Jahre im Gefängnis gesessen hatten. Die Untersuchungskommission befand, diese Aktion sei wie so viele andere schlecht geplant gewesen. »Die von den Behörden getroffenen Maßnahmen gründeten sich auf die Annahme , dass die Internierten vermutlich Aktionen vorbereitet hätten, die unter der Voraussetzung einer bestimmten außenpolitischen Lage ausgeführt worden wären.« Dieses Verhaltensmuster der Behörden wurde jedoch bei politischen Bewegungen der Rechten nie angewandt.
Diejenigen Personen, die man ins Land gelassen hatte, waren dennoch glücklich; sie waren politische Flüchtlinge, also Personen, die wegen ihrer früheren politischen Betätigung oder Stellung oder aus anderen politischen Gründen geflohen waren, wie die Formulierung lautete. In einem streng vertraulichen Memorandum hieß es allerdings: »Zu den politischen Flüchtlingen kann man aber kaum jene Ausländer zählen, die aus bloßer Unzufriedenheit mit den
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