Die Ausgelieferten
empfohlen: von hohen Polizeibeamten und von Abteilungschefs des Verteidigungsstabs. Nach diesen Empfehlungen soll er »in besonderem Maße für diese neue Tätigkeit geeignet und höchst vertrauenswürdig« gewesen sein.
Paulsson wurde ein mächtiger Mann: die Spinne in vielen Netzen, letzte Instanz in Zweifelsfällen. Er war ein routinierter Beamter. Seine Kontakte zum Außenministerium, zum Sicherheitsdienst, zum Verteidigungsstab und zu den Passbehörden waren ausgezeichnet. Er war ein Mann, auf den man sich verlassen konnte. Am 4. Januar 1945 wurde er verhaftet und angeklagt, einem deutschen Agenten Nachrichten übermittelt zu haben. Danach rollte man die Vorgeschichte auf.
Anfang 1942 bekam Paulsson Befehl herauszufinden, ob ein Mann namens Lönnegren für die Deutschen spionierte; das muss für Paulsson eine delikate Aufgabe gewesen sein, da dieser Lönnegren der Verbindungsmann zwischen Paulsson und den Deutschen war. Dieser Umstand zog die Nachforschungen in die Länge: erst am 6. Dezember 1944 traten sie in ihr entscheidendes Stadium. Ein Gespräch zwischen Paulsson und Lönnegren wurde von zwei Polizeibeamten abgehört und auf Band aufgenommen. Man hatte damit Beweise genug, und Lönnegren wurde verurteilt. Paulsson dagegen wurde nicht einmal angeklagt. Doch der Überwacher Lönnegrens wurde in der Folgezeit selbst überwacht. Die gegen Paulsson vorliegenden Beweise könnten nicht benutzt werden, meinte man damals, weil man sich das am 6. Dezember belauschte Gespräch »für spätere, kritische Zeiten aufheben wolle und eine vorzeitige Preisgabe dieses Beweismittels die erwünschte Wirkung zerstören« könnte. Drei Wochen später wurde er dennoch verhaftet.
Es gab viele, die ihren Verdacht bekräftigt glaubten: ihren Verdacht, es müsse undichte Stellen geben, die Sozialbehörde sei deutschfreundlich, Ausweisungen und Auslieferungen seien oft summarisch und willkürlich erfolgt, in manchen Amtsstuben herrsche Antisemitismus und so weiter. In der Verhandlung wurde festgestellt, dass Paulsson dem deutschen Nachrichtendienst viele Auskünfte gegeben hatte: Angaben über politische Flüchtlinge in Schweden. Er wurde zu einem Jahr und zehn Monaten Zuchthaus verurteilt, legte jedoch Berufung ein, und im Januar 1946, als die baltischen Militärs ausgeliefert wurden, befand er sich wieder auf freiem Fuß. Mit den Balten hatte er jedoch nichts zu schaffen gehabt. Seine Tätigkeit hatte sich gegen andere Flüchtlingskategorien gerichtet. Interessant an der Affäre Paulsson ist die Blöße, die sich die Verwaltung hier gegeben hat, der kurze und unerwartete Augenblick, in dem sich ein Mensch hinter den Beschlüssen zeigt.
Man untersuchte Paulssons Einstellung zu den Flüchtlingen, über deren Schicksal er zu befinden gehabt hatte. Er selbst erklärte, er sei »Antikommunist und antinazistisch eingestellt«. Ein Judenhasser sei er nicht, meinte er, aber »auch kein Judenfreund«. Ein Major im Verteidigungsstab, der ihn gut kannte, erklärte, dass Paulsson »sich in politischer Hinsicht immer schwedischnational verhalten und überdies große Sympathien für Finnland an den Tag gelegt« habe. Außerdem sei er »klar antibolschewistisch eingestellt« gewesen. Eine weibliche Bürokraft, die unter ihm gearbeitet hatte, war dagegen der Ansicht, er habe keine Flüchtlingskategorie bevorzugt oder benachteiligt. Paulssons Antikommunismus wurde jedoch von niemandem bestritten: er war dokumentarisch belegt. Unbestritten war auch, dass Paulssons Antikommunismus »gefühlsbeladen« gewesen sei.
Über Paulssons Haltung gegenüber Juden gibt es nicht viele Belege. Die zurückhaltendsten sprechen davon, dass er über die Juden im Land »nicht froh« gewesen sei. In anderen wiederum wird offen behauptet, er sei Antisemit; ein nicht unwichtiger Hinweis, wenn man bedenkt, dass ein Mann, der sich seit 1938 auf einem leitenden Posten der Sozialbehörde befand, kraft seiner Stellung und seiner Autorität über Tausende von Flüchtlingsschicksalen bestimmen konnte. Das Urteil eines ehemaligen Untergebenen mag als instruktiv angesehen werden; es ist weniger vorsichtig abgefasst als die vieler anderer.
Paulsson war Antisemit und flüchtlingsfeindlich eingestellt, oder richtiger gesagt, fremdenfeindlich. Den Finnen gegenüber war er jedoch positiv eingestellt. Er war der Ansicht, die Juden seien eine Rasse, die tiefer stünde als »normale Menschen«, und dass es höchst unangebracht sei, Juden nach Schweden kommen und hier wohnen zu
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