Die Ausgelieferten
politischen Verhältnissen in ihren Heimatländern oder dem Land, in dem sie sich zuletzt aufgehalten haben, nach Schweden gekommen sind.«
Man versuchte jedoch nicht, den Ausdruck »aus bloßer Unzufriedenheit« exakt zu definieren.
Praktische Konsequenzen: Beispiel A., geb. 1924, Norweger.
A. kam am 1. November 1941 als Flüchtling nach Schweden. Er bezeichnete sich als Widerständler, weil er sich der Neuordnung in Norwegen widersetzt hatte, indem er illegal Schriften verteilte. Die schwedischen Behörden verweigerten ihm das politische Asyl und schoben ihn nach Norwegen ab. Zwei Wochen später floh er wiederum nach Schweden; diesmal erhielt er die Erlaubnis, bis zum Kriegsende im Land zu bleiben.
Nach seiner ersten Flucht nach Schweden hatte man ihn in eine schwedische Garnison gebracht, wo er nach eigener Aussage »von einem Offizier unfreundlich behandelt« wurde. In derselben Garnison befanden sich zu dieser Zeit noch acht andere norwegische Flüchtlinge. Am Abend des Tages seiner Ankunft hatte ihm der örtliche Polizeichef mitgeteilt, dass er am nächsten Tag nach Norwegen zurückgeschickt werden würde. A. hatte heftig protestiert, aber der Polizeikommissar hatte darauf nur erwidert, er sei ein allzu kleiner Fisch, um bleiben zu dürfen. »Schweden kann nicht 99 Prozent der norwegischen Bevölkerung aufnehmen.«
A. war also, kurz gesagt, ein Fall »bloßer Unzufriedenheit«. Das gleiche war bei seinen acht Kameraden der Fall.
Doch zurück zu seinen weiteren Erlebnissen: man legte ihm einen Zettel vor. A. sollte eine Erklärung unterschreiben, dass er freiwillig nach Norwegen zurückkehre, da er sich ohne Ausweispapiere nach Schweden begeben habe. Der Polizeikommissar hatte ihm zuvor gesagt, dass man ihn den deutschen Grenzposten übergeben werde, falls er sich weigern sollte, die Erklärung zu unterschreiben. Sollte er aber unterschreiben, werde man ihn an der Grenze freilassen und es ihm selbst überlassen, auf welchem Weg er nach Norwegen zurückgehen wolle. Er habe also freie Wahl. Daraufhin unterschrieb A. die Erklärung.
Einigen der anderen hatte man eine Aufenthaltsgenehmigung versprochen, falls sie die Namen der Personen angäben, mit denen sie in Norwegen zusammenarbeiteten, und die Namen der Fluchthelfer; die norwegischen Widerständler weigerten sich jedoch wegen der vermuteten ausgezeichneten Verbindungen der schwedischen Polizeibehörden zu den Deutschen, die verlangten Auskünfte zu geben. Darauf wurden alle ausgewiesen.
Am nächsten Tag brachte man sie an die Grenze. Nach eigener Aussage waren sie nicht verpflegt worden. An der Grenze teilten sie sich in zwei Gruppen; A. gelang es, unbemerkt an den deutschen Wachposten vorbeizukommen. Zwei der mit ihm ausgewiesenen Widerständler wurden später in Oslo verhaftet und von den Deutschen eingesperrt. Über die anderen ist nichts bekannt.
Die Auslieferung der neun norwegischen Widerstandskämpfer kam später in Stellungnahmen der beteiligten schwedischen Behörden zur Sprache. Polizeikommissar Hiertner meinte, es sei sehr schwierig zu beurteilen, ob jemand als politischer Flüchtling gelten könne oder nicht; nach 1942 sei praktisch allen norwegischen Flüchtlingen eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt worden: nach der Schlacht von Stalingrad, könnte man hinzufügen. Was diesen Fall betreffe, »so muss man die Ereignisse im Licht der damaligen von höheren Stellen erlassenen Direktiven sehen und nicht nach der heutigen Lage beurteilen. Es sind auch viele andere Flüchtlinge im Bezirk Järeskog wieder ausgewiesen worden. In anderen Grenzdistrikten ist die Lage gewiss ähnlich gewesen «.
Die Äußerungen A.s über die Behandlung im Lager werden von allen schwedischen Beamten stark angezweifelt. Leutnant Söderberg zum Beispiel hebt hervor, dass »Sonderverpflegung in Form von warmen Getränken, Butterbroten, Suppen etc.« ausgegeben worden sei, so dass die Internierten nicht zu hungern brauchten. »Ich möchte nachdrücklich sagen, dass niemand die Garnison ohne Verpflegung verlassen hat, sei es vor einem Transport an die Grenze oder ins Innere des Landes.«
Das Außenministerium betont, dass »dem zuständigen Beamten in der Abteilung für auswärtige Passangelegenheiten« von einer Gefahr für die Norweger durch deutsche Grenzposten nichts bekannt gewesen sei.
Es fehlt jedoch jeder Hinweis auf den Namen dieses Beamten, auf sein Alter, seine Erfahrung, politischen Anschauungen, seine Informationsquellen und das Ausmaß seines
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