Die Ausgelieferten
lassen. Über die Behandlung der Juden in Deutschland hat Paulsson sich nicht geäußert, aber er hat immerhin verlauten lassen, es dürfte in Schweden keine Juden geben. Schwedische Juden mochte er ebenfalls nicht. Dafür, dass Paulsson für eine jüdische Dame die Grundstücksverwaltung besorgte, hat der Beamte »ihn sich gleichsam entschuldigen« hören. Paulssons Ansicht über Juden offenbarte sich in seinem Auftreten ihnen gegenüber, das oft ein wenig brüsk war. So ging er beispielsweise gern in die Wartezimmer neben den Pförtnerlogen, um die Flüchtlinge zu mustern. Er pflegte sie zu fragen, warum sie hier säßen, und begehrte ihre Pässe zu sehen. Wenn sie seiner Meinung nach zu spät am Nachmittag gekommen waren, forderte er sie auf, am nächsten Tage wiederzukommen; dabei pflegte er manchmal auch zu sagen, »sie sollten gefälligst lernen, früher aufzustehen«. Es ist wahrscheinlich, dass die »allgemeine Plumpheit« Paulssons bei seinen Vorgesetzten bekannt war, ebenso seine Art, gegenüber Juden und Flüchtlingen aufzutreten. Paulssons antisemitische Einstellung muss ebenfalls allgemein bekannt gewesen sein; Untergebene haben es deshalb für ratsam gehalten, »darüber nicht zu tratschen«. Alle Äußerungen Paulssons über Juden haben es bewirkt, dass der betreffende Beamte keinen allzu engen Kontakt mit ihm haben wollte. Den Umstand, dass die antisemitische Einstellung Paulssons von seiner Umgebung nicht mit der gebührenden Aufmerksamkeit beobachtet wurde, sollte man im Zusammenhang mit der allgemeinen Einstellung im Volk und der Haltung der Presse während der ersten Kriegsjahre sehen. Man darf nicht vergessen, dass früher ein anderer Geist geherrscht hat.
Den meisten Urteilen über Paulsson ist zu entnehmen, dass er mehr oder weniger antisemitisch eingestellt war und dass er »Treibjagden auf Kommunisten« zu veranstalten liebte. Einige der Zeugenaussagen sind jedoch widersprüchlich und verwirrend. Dies ist zum Beispiel der Fall bei einer Büroangestellten in der Ausländerkommission. Sie behauptete, Paulsson »habe keine sonderliche Sympathie für Juden empfunden, andererseits aber auch keinen nennenswerten Widerwillen gegen sie an den Tag gelegt«. So lautet das Gerichtsprotokoll; als es aber verlesen wurde, wurde die Formulierung von vielen angezweifelt, und es wurde behauptet, die Aussage sei verfälscht worden. Die Angestellte soll vielmehr geäußert haben, »Paulsson habe keinen größeren Widerwillen gegen Juden an den Tag gelegt als die meisten von uns anderen Beamten in der Ausländerkommission«.
Das rief bei den Richtern beträchtliche Verwirrung hervor, die daraufhin die Zeugin erneut vernahmen. Schließlich kam man zu dem Ergebnis, dass ihre Äußerung wie folgt gelautet habe oder gelautet haben müsse: »Ich glaube nicht, dass er Sympathien für Juden empfand, und Antipathien wird er nicht mehr gehabt haben als andere«, oder, alternativ: »und Antipathien nicht mehr als die meisten«.
Damit war die Ordnung wiederhergestellt, und das Verfahren konnte fortgesetzt werden.
Der Fall Paulsson ist nicht im mindesten ein Beweis dafür, dass Antisemitismus und Antikommunismus während des Krieges in der schwedischen Verwaltung verbreitet waren. Dieser Fall empört uns auch kaum, da die meisten Menschen, die von seinem Widerwillen betroffen wurden, sehr bald starben, also nicht mehr in der Lage sind, uns anzuklagen und Empörung in uns wachzurufen. Möglicherweise ist dies alles das Fragment einer schwedischen Flüchtlingspolitik, ein nicht repräsentativer Fall, ein Einzelstück in einem Mosaik. Und, wenn andere Auslieferungen zur Debatte stehen, die Andeutung eines Hintergrundes. »Man darf nicht vergessen, dass früher ein anderer Geist geherrscht hat.«
Die Pointe liegt in folgendem: die Grundzüge der schwedischen Flüchtlingspolitik sowie die Haltung der schwedischen Behörden gegenüber bestimmten Flüchtlingen waren nicht nur der schwedischen, sondern auch der sowjetischen Regierung bekannt. Die Sowjets müssen von vielen Dingen gewusst haben. Sie wussten außerdem von den Transittransporten deutscher Truppen durch Schweden, sie wussten von den Erz- und Kugellagerlieferungen, die den Deutschen eine Fortführung des Krieges ermöglichten, sie wussten, dass schwedische Kommunisten verhaftet und in Lager gesteckt wurden, während alle Nazis frei herumlaufen durften, sie kannten die Deutschfreundlichkeit des schwedischen Offizierskorps, sie wussten von den ausgezeichneten
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