Die Ausgelieferten
schwedischen Verteidigungsanlagen an der Grenze Finnlands, sie wussten, dass im Süden keine Verteidigungsanlagen vorhanden waren, sie kannten die Vorschläge, man solle die Kommunistische Partei Schwedens verbieten, sie kannten die Deutschfreundlichkeit der schwedischen Verwaltung, sie kannten alle Unternehmungen der Finnlandaktivisten, sie kannten den alten Russenhass, sie fühlten, wie gering der Wert der schwedischen Neutralität zu veranschlagen und wie stark die Deutschfreundlichkeit war. Nach der Schlacht von Stalingrad mögen sie eine gewisse Veränderung beobachtet haben, aber zu der Zeit hatten sie keine Illusionen mehr, wenn sie überhaupt je welche hatten.
Sie wussten Bescheid, und die schwedische Regierung wusste, dass sie Bescheid wussten. Und als das Spiel im Juni 1945 begann, war die beiderseitige Kenntnis das Spielbrett. Dieses Wissen war für beide Seiten nicht ohne Bedeutung.
In jenem Frühjahr 1945 war Deutschland geschlagen und Schweden wieder neutral. In der russischen Presse finden sich in diesem Frühling in regelmäßigen Abständen Angriffe gegen Schweden und die schwedische Deutschfreundlichkeit.
Einige Beispiele.
Eines stammt aus der Zeitschrift Der Krieg und die Arbeiterklasse vom Januar 1945. Der Artikel wird mit einer Analyse der den Balten geleisteten Fluchthilfe eingeleitet; es wird erwähnt, dass die Schweden »sowjetfeindlichen Elementen« unter den baltischen Flüchtlingen erlaubten, in Schweden zu bleiben und »sowjetfeindliche Propaganda« zu treiben, dass sie Vertretern der Sowjetunion Besuche in den Lagern der Zivilbalten verweigerten, obwohl dies Vertretern der Westmächte erlaubt war.
Beispiel für russische Argumentation und Rhetorik. »Unter diesen zivilen baltischen Flüchtlingen, die in besonderen Lagern gehalten werden, wird eine sowjetfeindliche Verleumdungskampagne betrieben. Es haben sogar manche Beamte an dieser Kampagne teilgenommen und so ihre dienstliche Stellung missbraucht. Im Lager in Söderköping pflegt der ›Lagerchef‹ Ljungberg sowjetfeindliche Ansprachen zu halten. Er hat unter den Hitleragenten eine Gruppe sowjetfeindlicher Agitatoren und Spione ausgewählt. Ferner hat er den Flüchtlingen verboten, russisch zu sprechen oder sich über das Leben in der Sowjetunion zu unterhalten.
Die Briefe der Flüchtlinge legen davon Zeugnis ab, dass in den Lagern empörende Zustände herrschten. Diese Verhältnisse sind mit Wissen und Billigung der schwedischen Behörden zustande gekommen. Für Balodis, Rei und andere Hitleragenten werden die Lagertore offengehalten. Ihren Schützlingen hat man erlaubt, sich in Stockholm oder seiner näheren Umgebung niederzulassen. Solche Genehmigungen werden sonst nur in Ausnahmefällen erteilt. Die Polizei hat einigen von ihnen sogar empfohlen, ihre Namen zu ändern, um Publizität zu vermeiden. Dagegen werden Sowjetbürger, die ihrem Vaterland treu geblieben sind, in besondere Lager geschickt, die sich in dünn besiedelten und abseits gelegenen Gegenden befinden. Es ist bezeichnend, dass führende schwedische Zeitungen in schöner Einmütigkeit Aufrufe und Briefe deutscher Agenten veröffentlichen. Man muss sich fragen, ob diese Musik nicht unter der Stabführung irgendeines Dirigenten steht.
Die bankrotten Anhänger der schwedischen Zusammenarbeit mit Hitlerdeutschland und die Träger des in reaktionären schwedischen Kreisen traditionellen ›Russenhasses‹ wollen nicht aufgeben. Wider alle Tatsachen, wider alle Vernunft verfolgen sie ihre alte Politik. Diese Politik könnte den nationalen Interessen Schwedens ernsten und nicht wiedergutzumachenden Schaden zufügen.«
Andere Beispiele. In einem Artikel vom 27. Mai, in dem man sich auf TASS beruft, wird die Behandlung einer Gruppe von zwanzig deutschen Offizieren durch die Schweden scharf angegriffen. Die Schweden hätten nicht einmal daran gedacht, das Gepäck der Deutschen zu untersuchen; sie seien vielmehr sofort in eine Offiziersmesse gebracht worden, wo man ihnen eine ausgezeichnete Mahlzeit vorgesetzt habe. Das Verhör sei aufgeschoben worden, da die Deutschen offenbar müde waren.
Dem wird die Behandlung gegenübergestellt, die russischen Offizieren, die aus Norwegen nach Schweden gekommen waren, von schwedischer Seite zuteil wurde. Sie seien in einem baufälligen Haus untergebracht worden und hätten »erst spätabends etwas zu essen bekommen«. Ihnen sei nicht erlaubt worden, in der Offiziersmesse zu essen. Die Russen habe man streng bewacht, die Deutschen
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