Die Ausgesetzten
kichern.
»Hast du gerade was von ›unbändiger Freude‹ gesagt?«, fragte er.
Antonio löste sich weit genug von seinem Marker, um zu erröten.
»He! Ich spreche Algonkin«, sagte er. »Das dürftest du eigentlich gar nicht verstehen!«
Andrea sah Jonas mit erstauntem Blinzeln an.
»Du verstehst Algonkin?«, fragte sie.
»Äh, nein, ich meine, das dachte ich eigentlich nicht«, verneinte Jonas. Er sah zu Katherine hinüber, die ein merkwürdig schuldbewusstes
Gesicht machte. »Moment! Hängt das vielleicht mit der Übersetzungsspritze zusammen, die HK uns gegeben hat, bevor wir ins
fünfzehnte Jahrhundert zurückgekehrt sind?«
Antonio wirbelte zu Katherine herum.
»Ihr Mädchen könnt uns auch verstehen?«, fragte er. »Heißt das, ihr habt alles, was wir nachmittags in Algonkin …«
»Ich habe nichts verstanden«, sagte Andrea. »Ich habe keine Übersetzungsspritze bekommen.«
Katherine zog verlegen die Nase kraus.
»Ich wollte nichts sagen, weil ich dachte, dass euch das vielleicht peinlich ist«, gab sie zu. »Aber was ihr gesagt habt,
war so poetisch … so wunderschön … Ich wollte nicht, dass ihr damit aufhört.« Fast hätte sie auch noch in Antonios Richtung mit den Wimpern geklimpert.
O bitte, dachte Jonas. Glaubst du wirklich, du kommst damit durch, hier das süße Mädchen zu spielen? Dieser Typ ist ein Widerling!
»Äh, ja, also dann«, stammelte Antonio.
Er zögerte und lehnte das Gesicht fast gänzlich zurück in das seines Markers. Dann sprang er plötzlich auf und ließ seinen
Marker hinter sich zurück.
»O nein«, polterte er. »Das sag ich nicht!«
Sein Marker stand ebenfalls auf, fast so, als wollte er Antonio verfolgen.
»Komm mir nicht zu nah!«, schrie Antonio und lief vor seinem Marker davon und um das Feuer herum. »Komm mir bloß nicht zu
nah!« Er drehte sich um und rannte in den Wald.
»Warte!«, rief Andrea ihm nach und sprang auf.
Brendan löste sich von seinem Marker, um ihr die Hand auf den Arm zu legen.
»Lass ihn gehen«, sagte er. »Er kommt schon zurück. Hier gibt es nichts, wo er wirklich hinkann.«
Antonios Marker holte sich lediglich einen weiteren Fisch vom Feuer und setzte sich dann wieder auf seinen Platz neben John
White.
»Ich kann meinen Großvater weiterfüttern«, sagte Andrea.
Doch der Marker ihres Großvaters war eingeschlafen, genau wie der echte Mann. Andrea fühlte ihm die Stirn.
»Du glaubst doch, dass John White wieder gesund wird, nicht?«, fragte sie Brendan. »Ich meine, dein Marker glaubt doch daran?«
»Ja«, sagte Brendan. »Das tut er.«
Jonas sah, dass Brendan den Kopf bewusst in dem Augenblick von seinem Marker abgewandt hatte, als dieser ebenfalls zu sprechen
begann. Weil es nur der Marker war, der sprach, konnte Jonas natürlich nicht hören, was dieser sagte. Und die Übersetzungsspritze
hatte ihm leider nicht die Fähigkeit verliehen, von den Lippen abzulesen.
»Was wollte Antonios Marker denn sagen, was Antonio so gegen den Strich gegangen ist?«, erkundigte er sich bei Brendan. »Und
was hat dein Marker ihm geantwortet?«
»Ach, bloß eine Menge romantisches Zeug«, erwiderte Brendan grinsend. Er machte Anstalten, sich wieder mit seinem Marker zu
vereinen, hielt dann aber inne, stöhnte und wandte sich von ihm ab. Peinlich berührt stand er einen Moment lang neben seinem
Marker, ehe er sich ein Stück entfernt in den Sand fallen ließ.
»Ich glaube, ich setze auch für ein Weilchen aus«, sagte er.
»Worüber reden sie?«, fragte Andrea. »Wieder über meinen Großvater? Über etwas, das sie auf Croatoan zu sehen erwarten?«
»Nein«, sagte Brendan und verzog das Gesicht. Er sah zu den beiden Markerjungen hinüber, die feierliche Mienenmachten, selbst als sie auf den sich verdunkelnden Himmel zeigten, das Wasser und den Wald. »Jetzt reden sie davon … äh … Männer zu werden.«
Katherine kicherte.
»Du meinst, sie unterhalten sich über die Pubertät?«, fragte sie.
Darüber hätte Jonas vor Katherine und Andrea auch nicht reden wollen.
Brendan zuckte die Achseln.
»So ähnlich, aber nicht … na ja, nicht so, wie wir darüber denken«, sagte er. »Für sie verbindet sich damit dieses ganze …
Übergangsritual
? Ist das der richtige Ausdruck? Sie müssen ihre Tapferkeit beweisen, ihre Ehre und Treue dem Stamm gegenüber. Sie müssen
zeigen, dass sie bereit sind, zu sterben und zu töten, wenn es sein muss, und …« Er starrte einen Moment lang in die
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