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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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angehoben, als wollte
     sie gleich davonstürmen.
    Dann tauchte ihr Gesicht aus dem Gesicht des Markermädchens auf.
    »Sie lebt nicht auf dieser Insel«, erklärte Andrea atemlos. Sie ist von weit her auf dem Festland gekommen. Sieweiß, dass die Skelette hier sind, und will sie begraben, um die Leute von Croatoan zu ehren   … Sie hat nicht damit gerechnet, dass sonst noch jemand auf die Insel kommt!«
    »Schön«, sagte Jonas ungeduldig. »Und?«
    Andrea lehnte das Gesicht zurück in das ihres Markers und tauchte gleich darauf wieder auf. Diesmal hatte sich ihr Gesichtsausdruck
     verändert, deshalb war es leicht, sie und ihren Marker auseinanderzuhalten. Das Markermädchen wirkte ein wenig besorgt.
    Andrea sah wütend aus.
    »Nein!«, schrie sie. »Das ist nicht fair! So darf es nicht ablaufen!«
    »Wie?«, fragte Jonas.
    »Sie will sich verstecken, bis die Fremden abfahren«, erklärte Andrea. »Sie weiß nicht mal, dass ihr Großvater bei ihnen ist!
     Sich so nahe zu sein und sich doch nicht zu begegnen – das lasse ich nicht zu!«
    »Andrea«, sagte Jonas, dass es fast klang wie eine Entschuldigung. »Das ist nicht deine Entscheidung. Du kannst deinem Marker
     nichts vorschreiben. Du kannst nur für dich selbst entscheiden.«
    Jonas überlegte, wie er ihr sämtliche potenziellen Möglichkeiten aufzählen sollte. Idealerweise würden sie sich alle entscheiden
     können. Jeder konnte mit seinem jeweiligen Marker zusammenbleiben, egal was geschah. Oder sie blieben alle auf Croatoan und
     ließen die Marker von Brendan, Antonio und John White als Geister allein weiterziehen. Oder die Kinder brachen alle zusammen
     in einem Kanu auf und ließen Andreasherbeigesehnten Marker zurück. Nur Jonas und Katherine hatten keinen Marker, für oder gegen den sie sich entscheiden mussten,
     wenn es galt, zwischen ihren Freunden und dem Schicksal abzuwägen.
    Die Zeit war zu knapp, um irgendetwas davon zur Sprache zu bringen. Wieder schrie Andrea los.
    »Nein! Mein Marker wird ihrem Großvater nie begegnen! Und mein Großvater wird mich niemals wirklich sehen! Nein! Das kann
     nicht sein! Du-kommst-mit-mir!«
    Jonas war klar, dass sie nicht mit ihm sprach.
    Andrea hatte ihren Marker an den Händen gepackt und versuchte ihn hinter dem Baum hervorzuziehen. Es war ein merkwürdiger
     Anblick, so als sähe man jemanden mit seinem eigenen Schatten ringen – aber als Teil dieses Schattens.
    Aufgeregter als je zuvor winselte Dare und wich zurück. Jonas packte das Halsband fester.
    »Jonas! Andrea! Los, kommt!«, rief Brendan hinter ihnen. »Mein Marker ist fertig! Ich steige jetzt ins Kanu. Wir fahren ab!«
    »Nein-tut-ihr-nicht!«, schrie Andrea.
    Das Marker-Andrea-Gespann trat einen Schritt vor.
    Eine optische Täuschung, dachte Jonas. Ein Hirngespinst.
    Dann noch einen Schritt.
    Andrea grinste.
    Doch es war nicht nur sie, die grinste. Auch das Markermädchen tat es und die Lachfältchen um ihre Augen strahlten zu ihren
     Zöpfen aus.
    »Wartet!«, rief Andrea/Virginia, und obwohl Jonas sie vollkommen verstand, wusste er, dass sie nicht Englisch sprach. Sie
     benutzte einen weiteren Algonkin-Dialekt, der dem ähnelte, den Brendans und Antonios Marker verwendeten.
    Andrea kannte keine Algonkin-Dialekte. Oder doch?
    »Entfernt euch nicht mit solcher Hast«, fuhr Andrea/ Virginia fort und ging im Sonnenlicht auf Brendan zu. »Habt ihr einen
     Geistermann in eurem Kanu? Ich bin ein Geistermädchen und er gehört vielleicht zu meiner Sippe.«
    Brendan drehte sich um.
    Nein, es war das Brendan-Marker-Gespann, das sich umdrehte. Auch der Marker drehte sich um!
    Das kann nicht sein, dachte Jonas. Ich weiß, dass das nicht passiert ist. Andreas Marker hätte nicht gerufen. Und Brendans
     Marker hätte sich nicht umgedreht.
    »Bist du ein verirrter Totengeist?«, fragte Brendans Marker. Seine Knie stießen leicht aneinander und Jonas fand es ziemlich
     mutig von ihm, nicht davonzulaufen, obwohl er solche Angst hatte.
    »Nein«, sagte Andrea/Virginia. »Ich bin lebendig. Aber ich habe meinen Großvater verloren.«
    Brendans Marker zögerte. Dann wies er mit der Hand zum Kanu.
    »Dann komm und finde ihn«, sagte er.

Neununddreißig
    Andrea/Virginia rannte über den mit Knochen übersäten Strand. Jonas riss ungläubig den Kopf herum und starrte ihr nach. Aus
     den Augenwinkeln gewahrte er dort, wo kurz zuvor Andreas Marker gestanden hatte, etwas Blasses. Er wandte den Kopf: Dort stand
     immer noch ein Marker. Dieser hier war noch

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