Die Ausgesetzten
verschwommener, noch weniger greifbar, und verflüchtigte sich vor seinen Augen.
Jonas sah Andrea nach: Ja, sie trug immer noch das Kleid aus Rehleder und die Zöpfe. Und sie war nach wie vor mit ihrem Marker
zusammen.
Ein Marker am falschen Ort und der andere löst sich auf … Ich dachte, Marker können sich nicht verändern, wunderte sich Jonas. Heißt das … Andrea hat die Zeit vollkommen verändert? Selbst die ursprüngliche Zeit? Geht das denn?
Draußen auf dem Wasser glitt ein ebenso geisterhaftes Kanu lautlos von der Insel fort, an den Paddeln die kaum wahrnehmbaren
Marker von Geht Voller Stolz und Der Vieles Überlebt. Wenn er die Augen zusammenkniff, erkannte Jonas gerade eben die durchsichtige
Hand des Markers von John White, der sich an den Rand des Kanus klammerte.
Dann verschwand auch das Markerkanu ganz und gar.
Wenn er jedoch ein paar Schritte vorwärtsging und den Blick wieder auf die Wasserkante richtete, sah Jonas Antonio/Geht Voller
Stolz und Brendan/Der Vieles Überlebt – beide in einem Lendenschurz – neben dem echten Kanu stehen. Die Brendangestalt bückte
sich und ging neben John White in die Hocke.
»Er ist verwundet und krank und kommt nicht zu sich«, sagte Brendan.
»Er hat viel Schlimmes mit angesehen«, sagte Andrea. »Es steht in seinem Gesicht geschrieben.«
Jonas hatte aufgehört, an sie als Andrea/Virginia zu denken. Sie sah immer noch aus wie das Markermädchen und war nach wie
vor mit ihm verschmolzen. Doch Andrea hatte die Kontrolle übernommen.
Sie bückte sich, streichelte ihrem Großvater die Stirn und strich ihm die Haare zurück.
»Deine Mühen haben jetzt ein Ende«, sagte sie.
Jonas sah, wie John Whites Augenlider flatterten – die echten Lider diesmal.
»Großvater?«, flüsterte Andrea. So hatte sie ihn schon öfter genannt, aber jetzt klang es anders.
Jonas konnte einen winzigen Akzent heraushören; es war kein britischer Akzent, sondern Algonkin. Und er hörte sich … richtig an.
John Whites Lider flatterten nicht mehr, er blinzelte. Dann schlug er die Augen ganz auf und sein Blick wurde klar. Selbst
aus dieser Entfernung konnte Jonas sehen,dass John White den Blick auf Andreas Gesicht gerichtet hatte.
»Oh, mein Kind«, flüsterte er. »Mein Kind. Du siehst aus wie meine Tochter Eleanor.«
»Eleanor war meine Mutter«, sagte Andrea. Sie berührte die Wange ihres Großvaters. »Sie hat immer gesagt, du würdest zurückkommen.«
Jonas sah, wie Katherine aus dem Kanu stolperte. Zuerst dachte er, sie wollte einfach nur Platz machen, damit Andrea und ihr
Großvater sich unterhalten konnten, jetzt, wo er sie wirklich sah und nicht mehr nur im Schlaf sprach. Doch Katherine lief
immer weiter, vorbei an den Knochen, auf Jonas zu.
Nur wenige Schritte von ihm entfernt schienen sie die Kräfte zu verlassen. Sie klammerte sich an einen Baum, als könnte sie
sich ohne seine Hilfe nicht auf den Beinen halten.
»Was ist da gerade passiert?«, fragte sie. »Was war das?«
Jonas öffnete den Mund, obwohl er nicht die leiseste Ahnung hatte, was er ihr sagen sollte.
»Eine ausgezeichnete Frage, meine Liebe«, sagte da eine Stimme hinter Jonas. »Ich würde es eine zweite Chance nennen. Was
– nicht ganz zufällig – auch mein Name ist.«
Katherine blieb der Mund offen stehen und ihre Augen schienen doppelt so groß zu werden.
»Dann sind Sie … Zwei?«, flüsterte sie.
Vierzig
Jonas wirbelte herum.
Ein Fremder stand hinter ihm. Wären sie im einundzwanzigsten Jahrhundert gewesen, hätte er den Mann als einen typischen Vertreter
der Gattung Computerfreak beschrieben. Er hatte käsige Haut, als wäre er schon ewig nicht mehr vor die Tür gekommen. Sein
blondes Haar stand in alle Himmelsrichtungen ab, als hätte er, wie Einstein, zu viele andere Dinge im Kopf, um ans Kämmen
zu denken. Außerdem war sein Hemd auf der einen Seite in die Hose gesteckt und hing auf der anderen heraus, obwohl das, soweit
es Jonas betraf, auch ein Modetrend der fernen Zukunft sein mochte.
»Zwei T. Chance, zu euren Diensten«, sagte der Mann und verbeugte sich leicht. Er kürzte die Verbeugung ein wenig ab und richtete sich
hastig wieder auf, um Jonas prüfend ins Gesicht zu sehen. »Aber ich bin unvorsichtig. Wenn man bedenkt, dass du Antonio auf
den reinen
Verdacht
hin, er könnte für mich arbeiten, verprügeln wolltest, siehst du es mir sicher nach, dass ich mich nicht in eine derart angreifbare
Position bringen will.« Er
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