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Die Ausgesetzten

Die Ausgesetzten

Titel: Die Ausgesetzten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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anderen hinüber. Ihm stockte der Atem.
    »Und was ist, wenn Ihre wunderbare Zeitverschiebung alles ruiniert?«, fragte er.
    Er streckte den Arm aus.
    Andrea war noch immer über ihren Großvater gebeugt und berührte zärtlich sein Gesicht. Brendan und Antonio standen in nächster
     Nähe und sahen mit ernsten Gesichtern auf das wiedervereinte Paar. Das war nicht allzu seltsam. Vielleicht waren die vier
     von diesem Augenblick so erschüttert, dass sie einfach innehalten und sich für längere Zeit nicht bewegen wollten. Doch es
     waren nicht nur sie, die regungslos verharrten. Dares Leib hing gekrümmt und im Sprung erstarrt über dem Kanu. Ein über sie
     hinwegfliegender Vogel verharrte mit ausgebreiteten Flügeln, aber völlig bewegungslos in der Luft. Selbst die Wellen hinter
     dem Kanu schwappten nicht länger auf den Sand, ihre Kämme und Täler waren erstarrt und regungslos. Es war völlig unmöglich
     und dennoch wahr: Abgesehen von der kleinen Gruppe aus Jonas, Katherine und Zwei war die ganze Welt stehen geblieben.

Zweiundvierzig
    »Ach, das«, sagte Zwei. »Das ist nur vorübergehend. Seht ihr?«
    Er rieb über die Oberfläche des Dings, das Jonas für eine Stoppuhr gehalten hatte. Auf einmal hörte er die Brandung wieder
     auf den Sand klatschen. Der Vogel segelte auf und davon. Dare landete neben Andrea im Sand und rieb den Kopf an ihrem Bein.
     Er sah zu ihr auf, als warte er darauf, gestreichelt zu werden.
    Brendan, Antonio und John White lachten.
    »Unser vierbeiniger Freund vergöttert dich«, sagte John White.
    Jonas wandte seine Aufmerksamkeit wieder Zwei zu.
    »Das ist ein Definator, den Sie da in der Hand halten, nicht?«, fragte er und deutete auf den uhrenartigen Gegenstand. »Sie
     können mit einem Definator die Zeit anhalten?«
    »Nicht wirklich«, erwiderte Zwei. »Es sieht für das ungeschulte Auge so aus. In Wirklichkeit habe ich uns drei aus der Zeit
     herausgenommen. Es ist wie – ihr seid doch mit HK schon in Zeittunneln gewesen? Und in der Höhle? Das hier ist das Gleiche,
     nur einfacher. Mit wenigerAufwand und weniger Verschleiß. Wir verstecken uns einfach zwischen den Nanosekunden.«
    Jonas hörte nur halb zu und ließ den Definator nicht aus den Augen (ob geschult oder nicht). Kurz darauf steckte ihn Zwei
     wieder in die Tasche, ohne ihn noch einmal zu betätigen. Er zuckte die Achseln.
    »Dann wollen wir uns mal anschauen, was als Nächstes passiert«, sagte er.
    Im Kanu sah John White Andrea kopfschüttelnd an.
    »Mein Geist war dieser Tage sehr verwirrt«, sagte er. »Ich habe von dir geträumt, mein Kind, ich träumte von deiner Stimme   …«
    Andrea sagte nicht: Du meinst, weil ich seit zwei Tagen auf dich einrede habe, aber du zu weggetreten warst, um richtig zuzuhören?
     Oder um die Augen aufzumachen und mich zu sehen? Stattdessen warf sie die Zöpfe zurück und sagte: »Auch ich habe von dir geträumt,
     Großvater. Meine Mutter hat mir Geschichten über dich erzählt. Sie versprach, dass du alles tun würdest, um zurückzukommen.«
    »Das habe ich«, murmelte ihr Großvater. »Und das tat ich.«
    »Unglaublich«, flüsterte Zwei neben Jonas. »Die Zeit schafft es trotz der Verschiebung, sich anzupassen. Und der menschliche
     Verstand genauso. John White wird sich nie wieder fragen, warum er sich daran erinnern kann, Andrea schon gehört zu haben.
     Er wird für immer glauben, dass es einfach nur ein Traum war. Weil die Zeit es ihm nie erlaubt hätte, sie wirklich zu hören
     oder zu sehen und sie ohne ihren Marker zu erkennen.«
    »Ich dachte, er wäre bewusstlos gewesen und hätte sie weder hören noch sehen können, weil Sie ihm ein Betäubungsmittel ins
     Essen gegeben haben«, sagte Jonas.
» Und
wegen der Kopfverletzung.«
    »Meinst du nicht, dass die Zeit seine Kopfverletzung verursacht haben könnte?«, fragte Zwei.
    »Die Zeit ist doch keine Person«, wandte Jonas ein. »Sie kann nicht bewirken, dass sich jemand am Kopf verletzt.«
    »Wirklich nicht?«, fragte Zwei.
    »Aber   –«, sagte Jonas.
    »Psst«, unterbrach ihn Katherine. »Streitet euch nachher. Ich versuche zuzuhören.«
    Im Kanu räusperte sich John White, sah unglücklich auf seine Hände und dann wieder zu Andrea auf.
    »Ich fürchte mich zu fragen«, begann er. »Deine Mutter, meine Eleanor. Und Ananias, dein Vater. Sind sie   …«
    Andrea schüttelte bereits den Kopf.
    »Sie sind von uns gegangen«, sagte sie. »Vor fünf Sommern, als die Krankheit kam.«
    John White hatte Tränen in

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