Die Außenseiter
berührte seine Antennen mit den ihren und flüsterte ihm etwas in die Hörorgane seines B- Thorax.
Sie hatte Recht. Er glaubte es tatsächlich nicht.
2
Die Thranx pflegten ihre Toten nicht zu bestatten: Verstorbene wurden liebevoll recycelt. Wie so viele Bestandteile der Thranx-Kultur war dies eine Tradition, die bis auf ihre Urahnen zurückging, als noch prätechnische, Eier legende Königinnen die Stöcke regierten und alles Genießbare als konsumierenswert betrachtet wurde, einschließlich der Überreste eines verstorbenen Mitbürgers. Protein war Protein, und Nahrungsbeschaffung und Überleben hatten nach wie vor Vorrang vor den aufkommenden Ansichten über Kultur und Zivilisation. Die Art und Weise, in der die traditionelle Wiederverwertung der Toten durchgeführt wurde, war heutzutage schicklicher als früher, doch der Grundsatz, der sich hinter diesem Brauch verbarg, blieb derselbe.
Die Abschiednahme von den Verstorbenen erfolgte weit ausgefeilter als zu der Zeit, da die Thranx noch keine Sprache hatten, doch hätte der Tote, für den heute die Loblieder gesungen wurden, sie zweifellos als überholt bezeichnet. Für einen Dichter, der nicht nur auf Willow-Wane, sondern auch auf allen anderen Thranx-Welten berühmt war, war Wuuzelansem sogar noch bescheidener gewesen als ein durchschnittlicher Thranx.
Desvendapur dachte an den Tag zurück, an dem er zuletzt mit dem Meister zusammengesessen hatte. Die Farbe von Wuuzelansems Ektoskelett war im Laufe der Jahrzehnte kräftiger geworden: vom gesunden Aquamarinblau der Jugend über das Blaugrün der männlichen Erwachsenen bis hin zum tief dunklen Blau des hohen Alters, das fast schon an Indigoblau erinnerte. Sein Kopf hatte unkontrolliert hin und her gewackelt, die Folge einer zwar nicht tödlichen, aber unheilbaren Erkrankung des Nervensystems, und er hatte kaum noch auf den vier Echtbeinen stehen können, sondern musste zusätzlich die beiden Fußhände gebrauchen, um sein Gleichgewicht halten zu können. Doch obwohl der Funke der Inspiration nicht mehr so regelmäßig wie früher in seinen Augen geglimmt hatte, schimmerten sie bis zuletzt wie poliertes Gold.
An jenem Tag waren sie in den Regenwald hinausgegangen, der große Dichter und seine Meisterklasse, um sich unter einem gelbstämmigen Cim!bu-Baum niederzulassen - einer der Lieblingsbäume des Meisters. Es war die Jahreszeit gewesen, in der der Cim!bu blühte, die Zeit, in der die Blätter seines dichten Laubwerks gelbgold und rosa gestreift waren. Nektarreiche Blüten von gewaltiger Länge sättigten die Luft mit ihrem Duft, und ihre baumelnden, glockengleichen Staubblätter waren dick vor Pollen. Keine Insekten summten geschäftig um diese Blüten; keine fliegenden Geschöpfe leckten an dem herabtropfenden Nektar. Für die Bestäubung des Cim!bu waren Gärtner zuständig. Das war auch nötig. Der Cim!bu war ein fremder Baum, eine Pflanze von einer anderen Welt, ein exotischer Außenseiter, weder heimisch auf Hivehom noch auf Willow- Wane. Ein Zierbaum, den die Siedler eingeführt hatten. Er gedieh im Regenwald Willow-Wanes, obwohl er nur von fremden Pflanzen umgeben war.
Unter dem Cim!bu und der restlichen dichten Vegetation befand sich Yeyll, die drittgrößte Stadt Willow-Wanes. Der Stock bestand aus Behausungen, Fabriken, Ausbildungsinstituten, Freizeiteinrichtungen und Pflegehorten für Larven. Die Thranx hatten zwar eine fortschrittliche Technologie entwickelt, doch wenn möglich zogen sie es noch immer vor, unter der Erde zu leben. Yeyll trug den gut erhaltenen Regenwald, durch den Wuuzelansem und seine Schüler schlenderten, wie einen Hut, eine Krone. Obgleich der Wald den Geruch der Wildnis verströmte, war er in Wirklichkeit so gründlich zivilisiert worden wie ein Park.
Es gab Sitzsättel unter dem Cim!bu. Mehrere Schüler nutzten sie, legten ihre Körper der Länge nach auf die schmalen, rustikalen Holzplattformen, um ihre Beine zu entlasten, und während sie so dalagen, lauschten sie den Ausführungen des Dichters über die Sinnlichkeit gewisser schlüpfriger fünfhebiger Jamben. Des zog es vor, stehen zu bleiben, verfolgte mit einem Teil seines Verstandes die Lektion des Meisters, während er mit dem anderen über die Üppigkeit des Regenwaldes nachsann. Der Morgen war heiß und feucht: perfektes Wetter. Als Desvendapur einen in der Nähe stehenden Baum musterte, sondierten seine Antennen die Rinde, suchten nach jenen winzigen Vibrationen, die Geschöpfe verursachen würden, die
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