Die Außenseiter
ihr Schicksal nach. Verdunstung wird zur Zerstörung««, zitierte Nio aus der vierten Sammlung des Meisters, wie Des gleich erkannte. Seine Freunde wären überrascht gewesen zu erfahren, dass der nachdenkliche, offenbar gleichgültige Desvendapur alles auswendig zitieren konnte, was Wuuzelansem je geschrieben hatte, einschließlich der berühmten, umfangreichen Jor!k!k!- Fragmente, die der Meister nie vollendet hatte. Aber nach Zitaten stand Desvendapur nun gar nicht der Sinn.
»Und was ist mit dir, Des?« Während Broud die Frage stellte, wackelte er mit den Echthänden in einer Weise, die an Zuneigung grenzende Freundlichkeit ausdrückte. Warum er so empfand, konnte Des nur raten. Während der Lehrveranstaltungen hatte er auf die Gefühle seiner Kommilitonen nicht mehr Rücksicht genommen als auf die jedes anderen Thranx. Es verwirrte und entnervte ihn sogar ein wenig.
»Du bist nicht vermählt, stimmt's?«, bemerkte Nio. »Ich werde mich vermählen, im sechsten Monat.«
»Nein«, erklärte Desvendapur. »Ich bin nicht vermählt.«
Wer würde sich schon mit mir vermählen wollen?, dachte er. Mit einem nicht weiter bemerkenswerten Dichter, der eine durchschnittliche Arbeit hat und ein ungebundenes, konventionelles Dasein fristet! Einer, dessen Benehmen alles andere ab förderlich ist für die gewöhnlichen Freuden des Daseins. Nicht dass er keinen Fortpflanzungstrieb verspürte. Sein Bedürfnis, sich zu paaren, war so stark wie bei jedem anderen männlichen Thranx auch. Aber eingedenk seiner Ansichten und seines Temperaments würde er von Glück reden können, wenn er eine Thranx-Frau dazu brächte, auch nur mit ihren Legeröhren in seine Richtung zu zucken.
»Ich glaube nicht, dass es so schade ist«, fuhr er fort. »Er hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich und einige Strophen hinterlassen, die ihn durchaus überdauern könnten. Jetzt ist er nicht mehr mit der Qual konfrontiert, immerzu brillant sein zu müssen. Die verzweifelte Suche nach Originalität ist ein Stein, der jeden Künstler zerschmettert. Es war schön, euch beide wiederzusehen.« Er setzte die Fußhände auf den Boden, sodass er wieder auf allen sechs Beinen stand, und wandte sich zum Gehen um. Das anfängliche Entzücken, das er bei der Begegnung mit den alten Freunden empfunden hatte, ließ bereits wieder nach.
»Warte!«, hielt Niowinhomek ihn mit auf und ab wippenden Antennen zurück - warum sie das tat, war Des ein Rätsel. Die meisten Frauen fanden seine Anwesenheit lästig. Selbst seine Pheromone waren unzulänglich, davon war er überzeugt.
Niowinhomek suchte nach einem Gesprächsthema, das ihn zurückhalten könnte; ihr fiel etwas ein, über das ihre Arbeitskollegen kürzlich diskutiert hatten. »Was hältst du von den Gerüchten?«
Desvendapur wandte sich wieder um und gab ihr mit einer Geste zu verstehen, dass er nicht wusste, wovon sie sprach. Plötzlich wollte er fliehen, ebenso sehr vor seinen Erinnerungen wie vor seinen ehemaligen Freunden. »Welche Gerüchte?«
»Die Geschichten über Geswixt«, führte sie aus. »Das Gerede.«
»Chrrk, ach das!«, zirpte Broud laut. »Du meinst das neue Projekt, richtig?«
»Das neue Projekt?« Obgleich Des kaum an dem Thema interessiert war, wuchs seine Neugier. »Was für ein ›neues Projekt‹?«
»Du hast noch nicht davon gehört?« Nios Antennen peitschten und wedelten - die Geste für beherrschte Aufregung. »Nein, ich sehe ein, dass du noch nicht davon gehört haben kannst, wo du doch so weit von Geswixt entfernt lebst.« Sie trat näher und senkte die Stimme.
Des wäre am liebsten vor ihr zurückgewichen. Was für ein Unfug war das hier?
»Man kann sich Geswixt nicht nähern«, flüsterte sie, wobei ihre vier Mundteile geschmeidig aneinander klackten. »Das ganze Gebiet ist abgezäunt.«
»Das stimmt.« Mit einer Echthand und der gegenüberliegenden Fußhand bestätigte Broud Nios Erklärung. »Mit so wenig Aufsehen wie möglich ist ein gesamter Distrikt für Passanten gesperrt worden. Es heißt, dass dort sogar noch regelmäßigere Luftpatrouillen fliegen, um den Luftraum bis hinauf in den Orbit abzuriegeln.«
Wider Erwarten leicht fasziniert, fühlte Des sich zu einer Bemerkung veranlasst. »Klingt für mich ganz danach, als habe jemand etwas zu verbergen.«
Mit allen vier Händen und sechzehn Fingern drückte Nio ihre Zustimmung aus. »Dort soll es einen neuen Wissenschaftskomplex geben, in dem umfassende biochemische Forschung betrieben werde. So lautet die
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