Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
von dem fauligen Wasser ernährt.«
Es gab so manche Sitte und manches Ritual auf See. Dazu gehörte auch die Äquatortaufe. Emilia und Ferdinand waren die beiden Täuflinge. Schon am Abend vorher wurde der Besuch Neptuns und seiner Frau Amphitrite angekündigt. Am nächsten Abend, als die Sonne untergegangen war, führte Carl Emilia an Deck. Dort wartete auch Ferdinand schon gespannt. Das Beiboot war zu Wasser gelassen worden und Neptun kletterte die Leiter empor, stieg über das Schanzkleid. Es war Wölsch, der eine Perücke aus Tauen trug und einen weiten Umhang. In der rechten Hand hielt er einen groben Dreizack, der wohl mal ein Besen gewesen war. Hinter ihm stieg die Amphitrite auf Deck, Hugh McPhail, der schottische Vollmatrose. Die langen Haare waren aus Flachs, er hatte einen Kittel übergezogen und die Brust sehr üppig mit allerlei Lappen geformt. Allgemeine Heiterkeit breitete sich aus.
»Hallo!«, rief McPhail mit Fistelstimme, die gar nicht zu seinem imposanten Körper passte.
Neptun nahm den Sextanten, hantierte gewichtig damit herum. Dann schickte er seinen Adjutanten, den Älteren der Paulsenbrüder, der einen Frack aus Segeltuch trug, in die oberste Rah, um die Linie hochzuhalten, damit das Schiff nicht darin festhinge.
Ferdinand wurde mit Kohlenstaub gepudert und musste anschließend sechs Mal in der Regentonne untertauchen, während Emilia nur einen guten Schluck ausgeben musste. Carl hatte dazu einen Krug mit Rum gefüllt, den Emilia erst Neptun, dann seiner Frau und schließlich dem Adjutanten reichte.
Die Mannschaft brüllte: »Hipp, hipp, hurra!« Der Krug wurde an jeden Mann weitergereicht und auch Ferdinand bekam seine Ration. Der Smutje spielte mit der Mundharmonika auf und alle Matrosen rissen sich darum, mit Amphitrite zu tanzen. Es war ein wildes Gehopse auf dem Mitteldeck, verbunden mit viel Fröhlichkeit.
Doch in den nächsten Tagen wurden die Gesichter ernster. Der Passat hatte sich gelegt.
»Wir sind bei den Mallungen«, sagte Carl und prüfte den Flögel.
»Mallungen?«, fragte Emilia nach, die neben ihm am Ruder stand.
»Das ist das Gebiet zwischen den Passaten. Oft herrschen hier drückende Hitze und Windstille, deshalb wird das Gebiet gefürchtet. Es geht die Mär, dass die Spanier auf ihren ersten Fahrten hier festhingen und die verendeten Pferde über Bord werfen mussten. Ihnen war das Futter ausgegangen. Deshalb nennt man das Gebiet auch die Rossbreiten.« Er schaute sie an und lächelte. »Mach dir keine Sorgen, bisher konnten wir das Gebiet immer durchlaufen.«
Die schwere Schwüle der nächsten Tage machte Emilia sehr zu schaffen. Inzwischen wölbte sich ihr Bauch und sie musste die Kleider ändern. Sie trug nur noch einen Rock, ließ die Unterröcke in der Kammer. In der Takelage klapperte es, da die Segel nicht unter Spannung standen. Jedes noch so kleine Fetzchen Tuch wurde gehisst, um auch den feinsten Lufthauch aufzufangen. Doch die Segel hingen schlaff an den Masten. Die Luft wurde immer drückender. Zwischendurch regnete es, das Wasser fiel prasselnd vom Himmel, als hätte jemand einen riesigen Eimer ausgeschüttet. So etwas hatte Emilia noch nicht erlebt. Alles klebte und dampfte. Dennoch nutzten sie die Gelegenheit, um zu waschen und zu baden.
In dem kleinen Badezimmer war die Messingwanne nun immer gefüllt und Emilia genoss das kühle Süßwasser. Ihre Knöchel waren geschwollen, aber in der Wanne fand sie Linderung.
Endlich frischte der Wind auf. Die Besatzung jubelte und Carl ließ für jeden eine Extraration Rum ausgeben.
»Fisch an der Lin!« Fast täglich war der Ruf zu hören. Allmählich jedoch mochte niemand mehr Fisch sehen oder schmecken. Der Smutje legte Leinen aus und am Abend hatte er drei Albatrosse gefangen. Emilia taten die großen Vögel leid, die unbeholfen über Deck watschelten.
»Das Ragout schmeckt herrlich«, erklärte der Smutje ihr.
Er hatte recht. Der Eber starb, er gab einen guten Braten ab. DieMannschaft sorgte sich um die Sau. Doch diese quiekte fröhlich vor sich hin, fraß, was auch immer man ihr hinwarf, und wurde immer fetter.
In der Kajüte hatte man sich gut eingewöhnt. Emilia liebte die Gespräche bei Tisch. Es wurde viel und oft von der Offiziersschule erzählt, von Fahrten, die sie unternommen hatten. So manches Seemannsgarn wurde gesponnen, da war sie sich sicher. Gemeinsam las man in den Büchern, die Emilia mitgebracht hatte. Auch die Matrosen hatten den Schatz in der Lotsenkammer spitzbekommen. So bat
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