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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Langsam ging sie zurück zum Oberdeck. Die Leinen hingen aus und plötzlich rief Ferdinand, der Schiffsjunge: »Delphine!«
    Carl kam gelaufen, das Gewehr im Anschlag, legte es über die Brüstung und zielte. Der erste Leichtmatrose, Torben Paulsen, zog sacht an der Leine. »Er hat angebissen. Harpune!«
    Carl schoss und Wölsch harpunierte. Sie zogen den Delphin an Deck. »Das gibt ein feines Mahl.«
    Emilia drehte sich weg, konnte den Anblick nicht ertragen. Mitletzter Kraft schaffte sie es in die Kammer, übergab sich in den Eimer. Die Katze lag auf dem Bett, streckte sich, ihr Bauch war geschwollen.
    Konnte es sein?, dachte Emilia. So schnell? Nein, das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein. Was sollte dann werden? Kurz nach ihrer Hochzeit hatte sie zum letzten Mal ihre Menses gehabt, danach nicht mehr. Sie hatte sich bisher keine Gedanken darüber gemacht, es auf die veränderten Lebensumstände geschoben. Das Wetter, die Gezeiten, alles Neue und das Essen.
    Sie setzte sich auf das kleine Sofa und holte tief Luft. Konnte es sein? Die Katze sprang auf ihren Schoß, schnurrte laut.
    In den nächsten Wochen achtete sie auf jedes Anzeichen. Tag um Tag verging, aber ihre Menses kam nicht. Schließlich war sie sich sicher, dass sie ein Kind erwartete.
    Die Katze hatte vier kleine Kätzchen geworfen. Die ganze Mannschaft hatte mitgefiebert und auf den Wurf gewartet. Ferdinand hatte eine Kiste mit alten Lappen ausgepolstert, doch als ihre Zeit kam, hatte sich die Katze in Emilias und Carls Kammer verkrochen.
    Vorsichtig bettete Emilia die kleine Familie in die Kiste und brachte sie zum Logis. Es war ein herrlicher Anblick, wie die rauen Seemänner plötzlich um die Kiste hockten und die Kätzchen bewunderten.
    »Das muss ein Kater sein«, sagte Paul Paulsen, der zweite Leichtmatrose, und boxte seinem Bruder Torben in die Seite. »Der Schwarzweiße, er hat einen ganz dicken Kopf.«
    »Dat is ne Deern«, brummte McPhail, der Schotte. »Die Rote.«
    »Und das ist sicher auch ein Mädchen.« Vorsichtig strich Ferdinand mit dem Zeigefinger über das schwarze Kätzchen mit den weißen Pfoten. »Sie hat Strümpfe an.«
    »Vier«, sagte Carl und grinste. »Das ist ein gutes Zeichen, ein fruchtbares Schiff. Mir scheint, dass auch die Sau trächtig ist.«
    Emilia hatte seine Hand genommen. »Wir werden auch Nachwuchs bekommen«, flüsterte sie ihm zu.
    Überrascht sah er sie an. »Wirklich?«
    Emilia nickte.
    Er lachte leise auf, doch dann wurde sein Gesicht sorgenvoll. »Ich hatte gehofft, dass es nicht so schnell gehen würde.«
    »Ich auch«, gab Emilia zu.
    »Wann wird es kommen?«
    »Im Sommer, denke ich.« Sie seufzte. »Wann werden wir in Callao eintreffen?«
    »Das weiß ich nicht, es kommt auf das Wetter am Kap an.« Er überlegte. »Ich kann für dich eine Bleibe in St. Vincent besorgen.«
    Emilia schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht irgendwo allein auf einer Insel bleiben.«
    Carl seufzte. »Nein, eigentlich möchte ich das auch nicht.«
    Er umsorgte Emilia noch mehr als schon zuvor. Sie hatten Glück, die See war ruhig und der Wind blies in die richtige Richtung. Fasziniert beobachtete Emilia die Fliegenden Fische, die Sardinenschwärme und immer wieder Walfische, die ihren Weg kreuzten. Große Quallen trieben durch das Wasser und manchmal begleitete eine Delphinschule die »Lessing«. Die Tiere sprangen munter vor dem Bug, überschlugen und drehten sich in der Luft.
    Meistens hatten sie die Leinen ausgelegt und fast täglich gab es nun frische Bonitos auf dem Speiseplan.
    Sie ließen die Schweine auf dem Mitteldeck laufen und ergötzten sich an den grunzenden Tieren. Die Hühner lebten beim Smutje in der Kombüse. In einem Regal hatte er ihnen Nester gebaut. Doch inzwischen legten sie keine Eier mehr.
    »Na, Ferdinand«, neckte Carl den Schiffsjungen, als dieser die Sau mit einem Stecken ärgerte. »Was macht das Bilgenschwein? Hast du es schon gefüttert?«
    Der Junge verzog das Gesicht, lachte aber dann. Am Anfang der Reise hatte ihn die Mannschaft zum Füttern des Bilgenschweins in den Rumpf des Schiffes geschickt. Ferdinand war treu hinuntergelaufen, hatte dort aber kein Schwein vorgefunden.
    »Es ist fort, es ist fort«, rief er aufgeregt, doch alle lachten.
    »In der Bilge«, hatte Carl der verwunderten Emilia erklärt, »sammeltsich Wasser. Das schwappt hin und her. Manche sagen, es klingt wie das Schmatzen eines Schweins. Daher kommt der Mythos, dass es auf jedem Schiff ein Bilgenschwein gibt, das sich

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