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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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verstehen.
    Eure Emilia«
    Hastig versiegelte sie den Brief, das Schiff hatte schon längst abgelegt und glitt durch den Kanal. Das Wetter war ihnen wohlgesinnt, der Wind kam vom Land. Emilia stürmte an Deck, warf einen letzten Blick auf das kleine Städtchen und die Berge dahinter. Die Morgensonne spiegelte sich in den lustigen Wellen, die um die »Lessing« tanzten wie silberne Fische. Ihre erste Scheu hatte sie verloren, das Oberdeck war ihr nicht mehr fremd und ohne Bedenken trat sie zu ihrem Mann und dem Lotsen.
    Sie waren kaum aus dem Kanal hinaus und im Atlantik, als auch schon das Lotsenboot auf sie zukam. Inzwischen war es Abend geworden. Der Lotse verabschiedete sich von Carl, nickte Emilia zu.
    »Darf ich Euch bitten, dieses Schreiben aufzugeben?« Sie gab ihm den Brief und etwas Geld. »Er ist an meine Eltern.«
    »Aber sicher.« Er nahm den Umschlag entgegen, gab ihr das Geld zurück, drückte ihre Hand. »Ich habe auch Töchter«, sagte er leise, »und freu mich über jeden Gruß von ihnen.«
    Er nahm seinen Beutel, verstaute den Brief sorgfältig und ging zur Verschanzung. Das Lotsenboot kam bei, und als eine Welle es anhob, schwang er sich über die Reling und sprang an Deck des Kahns. Er winkte fröhlich. Die Matrosen hatten die Segel umgestellt, ein leichter Ruck war durch die »Lessing« gegangen, als das Schiff kurz zum Stillstand kam. Dann, mit einem fröhlichen »Hipphipphurra«, stellten sie die Segel wieder in den Wind und das Schiff nahm Fahrt auf, sie schossen in den Atlantik.
    Emilia kannte nun schon den Tagesablauf und genoss ihn inzwischen. Die Katze, die sie in Hamburg an Bord genommen hatten, war ihnen im Dock in Cardiff entwischt. Ohne Katze war keine Fahrtdenkbar, so hatte Wölsch am letzten Tag noch eine neue Mäusejägerin besorgt und in einem Sack an Bord gebracht. Damit sie nicht auch noch floh, blieb sie im Unterdeck verschnürt, laut jammernd, bis der Kanal passiert war. Karamell machte einen großen Bogen um das getigerte Tier, da es ihr am ersten Tag schon heftig auf die Nase gehauen hatte. Bald aber schon fand die Katze den Weg in die Kajüte und liebte es, in der Zeit vor dem Nachmittagstee, die Emilia gewöhnlich lesend auf dem Sofa verbrachte, zu ihr zu schlüpfen und sich ihr schnurrend auf den Schoß zu legen.
    »Sie soll jagen«, sagte Carl missmutig, als er das Schauspiel beobachtete. Der Hund verzog sich beleidigt in eine Ecke, sobald das Katzentier auftauchte.
    Emilia lachte. »Sie jagt nachts. Erst heute Morgen habe ich zwei tote Mäuse vor unserer Tür gefunden.«
    »Na, solange sie ihre Arbeit macht, ist es in Ordnung«, brummte er. »Dann darf sie auch ihre Pause bei dir einlegen.«
    Emilia liebte es, mit der Katze zu kuscheln. Das Schnurren hatte etwas Beruhigendes. Mit dem Hund ging sie jeden Tag zweimal an Deck und rund um das Oberdeck. Manchmal durfte Karamell mittschiffs toben, der Schiffsjunge hatte seinen Spaß daran, ein Stöckchen für sie zu werfen.
    Überhaupt nahm das Leben seinen geregelten Lauf. Alle vier Stunden wechselte die Wache, Emilia hörte den Ruf kaum noch. Nur in den Nächten, in denen Carl aufstand, um nach Wind und Wetter zu schauen, das Ruder zu übernehmen, in Nächten, in denen ihnen bei Wachwechsel Rapport gemeldet wurde, wachte sie auf.
    Der Dezember kam und das Weihnachtsfest stand bevor. Sie wollten im Januar die Kapverden anlaufen und dann weiter nach Westen, bis es schließlich südwärts und zum Kap Hoorn ging. Weihnachten, das heilige Fest, auf dem Schiff ohne Kirchgang und Tannenbaum, das konnte sich Emilia noch nicht vorstellen. Zu Hause mochte es jetzt schon schneien und die Teiche waren vielleicht schon zugefroren, doch an Bord wurde es immer wärmer. Das Wollzeug hatte sie schon weggeräumt, die dicken Decken gegen dünnere ausgetauscht. Jetztverbrachte sie auch mehr Zeit an Deck, ließ sich dort einen Stuhl hinstellen und las im Schatten.
    Am Heiligen Abend, die See war ruhig, saßen sie zusammen mit den Steuerleuten und dem Steward. Emilia hatte Kerzen in ein Drahtgestell gesteckt, um wenigstens etwas weihnachtliche Stimmung zu verbreiten. Sie und Carl hatten kleine Geschenke für die Leute der Kajüte besorgt. Wölsch bekam eine neue Meerschaumpfeife, er war passionierter Pfeifenraucher. Für Gleesberg hatten sie in Cardiff ein Schreibset besorgt, da er seine Federn in Hamburg vergessen hatte. Julius, der Steward, liebte Kuchen und Emilia hatte Küchlein in Dosen gefunden. Die drei waren sehr angetan von den

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