Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
ein Mulatte, er hatte in London studiert und sprach fließend Englisch und Französisch. Er beschwerte sich ausgiebig darüber, dass die Menschen auf den Inseln zu gesund seien und er kaum Patienten hätte. Er lamentierte lange mit Carl und beachtete Emilia kaum, ließ Kaffee, Tee und Kuchen auftragen.
»Nun«, sagte Carl schließlich. »Wir brauchen Euren fachlichen Rat. Meine Frau erwartet ein Kind, unser erstes.«
Emilia hatte das Gefühl, als hätte ihr plötzlich jemand kochendes Wasser über den Kopf gegossen. So müssen sich Hummer fühlen, nur dass die wohl nicht darüber nachdenken können, fuhr es ihr durch den Kopf.
Der Arzt sah Emilia an, lächelte. »Wie geht es Euch, Madame?«
»Gut«, presste sie heraus.
»Wann wird das Kind kommen?«
Sie schaute ihn hilflos an.
»Wann hattet Ihr Eure letzte … Ihr wisst schon.«
»November«, hauchte sie.
»Dann wird es ein Sommerkind. Glückwunsch. Die Fahrt geht wohin?« Er wandte sich wieder Carl zu.
»Callao.«
Der Arzt zog die Stirn in Furchen. »Hm. Über Kap Hoorn. Nun ja, der Winter steht bevor, ich muss Euch nicht sagen, was das bedeutet. Die Fahrt kann lang werden.« Er stand auf. »Ich habe hier eine Tinktur, die kann Eurer Frau helfen. Es ist ein Extrakt der Mohnpflanze. Außerdem habe ich hier noch etwas, das entspannend wirkt. Diese Blätter können als Tee aufgekocht oder auch einfach nur gekaut werden. Sie kommen aus Peru und sind vom Kokastrauch.« Er kratzte sich am Kopf. »Am besten wäre es natürlich, ihr währt in Valparaiso oder einem ähnlichen Hafen, wo es Hebammen gibt, wenn es so weit ist.«
»Das ist mir klar.« Carl nahm ihm das Fläschchen und den Beutel mit den Kokablättern aus der Hand, zahlte einen ordentlichen Betrag dafür und verabschiedete sich dankend.
Auf dem Gang durch das Städtchen war er sehr schweigsam.
»Ach, Carl«, versuchte Emilia ihn aufzumuntern, obwohl sie sich auch nicht sehr wohl fühlte. »Es wird schon alles gut werden.«
16. K APITEL
Sie luden Früchte und Kartoffeln, nahmen Gänse mit an Bord und einige junge Hühner. Auch ein neues Schwein gab es, welches die Sau sogleich wegbiss, weshalb der Zimmermann, William Palmer, einen zweiten Verschlag bauen musste.
Am Abend ließ sich Carl noch einmal an Land rudern. Diesmal nahm er Emilia nicht mit, die, ermattet von dem ganzen Trubel, an Deck auf einem Liegestuhl lag.
Es verblüffte sie, wie schnell hier die Nacht hereinbrach, es gab praktisch keine Dämmerung. Seltsam war auch der Gesang der Vögel an Land, der sich von dem schrillen Kreischen der Möwen so sehr unterschied. Sie schloss die Augen und lauschte fasziniert den nächtlichen Geräuschen.
Dann hörte sie die Ruderschläge, das Wasser gurgelte am Heck. Carl stieg die Leiter empor und kletterte über die Verschanzung.
»Mein verspätetes Weihnachtsgeschenk.« Er reichte ihr einen Fächer aus schillernden Vogelfedern. »Und dies.« Es war eine goldene Kette mit einem Stein als Anhänger.
Emilia stockte der Atem. Sie stand auf und ließ sich von ihm die Kette umlegen. Dann drehte sie sich zu ihm um und küsste ihn.
»Du bist das Beste, was mir in meinem Leben passiert ist. Ich liebe dich.«
Schon am nächsten Tag liefen sie wieder aus. Der Wind stand günstig und die »Lessing« nahm schnell Fahrt auf. Emilia hatte in St. Vincent einige Stoffe und andere Utensilien besorgt und nähte nun. Windeln brauchte sie, dafür hatte sie einen ganzen Ballen Mull erstanden. Aber auch Leibchen und Kleider wollten genäht werden. Sie wünschte sich eine Vertraute herbei, mit der sie hätte sprechen können, denn das, was auf sie zukam, war ihr noch unbekannter als die Seefahrt.
Eines Nachmittags, es wurde mit jedem Tag inzwischen kühler und windiger, stand sie an Deck und starrte auf See, als der Smutje neben ihr auftauchte.
»Gnädigste«, sagte er und tippte an seine Mütze. Er lehnte sich an das Schanzkleid und sah sie nachdenklich an. »Ihr sorgt Euch.«
»Ja, Piet, das ist wahr.«
»Hm. Kann ich Euch helfen? Der Kapitän hat mir eine Tinktur und einen Beutel gegeben. Soll für Euch sein, wenn es losgeht.«
»Ach ja.«
»Nun, min Fru hat neun Kinder.« Er lachte leise. »Alle zwei bis drei Jahre ein, immer dann, wenn ich Landgang hatte.«
Emilia sah ihn nachdenklich an.
Er grinste. »Bei drei Kindern war ich aber auch da, als sie kamen. Hab meiner Frau beigestanden, weiß, wie das geht.«
»Wirklich?«
»Doch ja.«
»Würdest du mir auch beistehen?«, fragte sie
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