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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Aufmerksamkeiten. Bisher hatte Carl zur Weihnacht immer nur eine Flasche Rum und eine Flasche Rotwein spendiert, aber Emilia meinte, dass man die Leute beschenken sollte.
    Für Carl selbst hatte sie einen Zigarrenkasten aus Zedernholz gefunden.
    »Ich habe gar kein Geschenk für dich«, sagte Carl bedrückt, doch Emilia lachte nur.
    »Hier mit dir an Bord sein zu dürfen, ist mir Geschenk genug.«
    Der Smutje hatte Hummersalat gemacht. Nach dem Essen und der Bescherung gingen sie ins Logis. Für die Mannschaft hatten sie einen Sack mit Äpfeln und Nüssen und ein paar Kleinigkeiten gekauft.
    »Sie freuen sich immer über Geduldsspiele«, hatte Carl ihr erklärt, »oder Ähnliches, womit sie sich während der Zeit zwischen den Wachen beschäftigen können.«
    Auch das Logis war mit Kerzen geschmückt worden. Die Männer waren freudig überrascht. Hier vorn war Emilia noch nie gewesen und sie schaute sich neugierig um. Alles war ordentlich, wenn auch einfach, eingerichtet. Die Männer standen auf und sangen ein paar Weihnachtslieder. »Für den Kapitän und seine Frau!«
    Emilia wurde es ganz warm ums Herz, als sie, schief, aber bemüht, »Sah ein Knab’ ein Röslein stehn« anstimmten.
    Nur Ferdinand, der Schiffsjunge, machte einen betrübten Eindruck. Emilia legte ihren Arm um seine knochigen Schultern.
    »Hast du Heimweh?«, fragte sie leise.
    »Ein bisschen«, gestand er. »Aber eigentlich finde ich die Seefahrt schön. Nur gerade heute …«
    Emilia verstand, was er meinte. So gemütlich sie es in der Kajüte auch hatten, so ergreifend der Männergesang auch war, es war doch ganz anders als zu Hause.
    Dies ist mein Zuhause, sagte sie sich, ein anderes habe ich nicht mehr.
    Kurz vor dem Jahreswechsel begann es zu regnen. Mit großem Getöse stürmte die Mannschaft das Deck. Verwundert blickte Emilia durch das kleine Fensterchen nach draußen. Hastig wurden Eimer, Fässer und sonstige Gefäße aufgestellt.
    »Was ist los?«, fragte sie Julius, den Steward.
    Er lachte. »Die Männer wollen Wäsche waschen. Das geht mit Regenwasser besser als mit Salzwasser. Das Salz greift die Kleidung an und macht sie steif. Deshalb nutzen sie nun die Gelegenheit zur großen Wäsche.
    Es war ein lustiges und buntes Treiben an Deck, das sich Emilia gerne anschaute.
    Am nächsten Tag, die Sonne brannte wieder, flatterte die bunte Wäsche kreuz und quer über Deck. Auch Julius hatte die Chance genutzt und gewaschen. Nun hingen ihre Unterröcke neben den Seemannshosen, ein seltsamer Anblick.
    Zwei Tage später regnete es wieder und abermals wurden die Fässer gefüllt.
    »Bald schon«, sagte Carl, »wird es nicht mehr regnen, bis wir in die südlichen Strömungen kommen. Aber dort ist der Regen eisig.«
    Es regnete weiter. Die schöne Zeit an Deck schien vorbei. In der Kajüte war es heiß wie in einem Dampfofen und der Schweiß rann ihnen allen in Strömen herunter.
    »Es ist so trostlos«, sagte Julius. »Bis zum Horizont nur dicke, schwere Wolken. Grau in grau, nichts als grau.« Er seufzte.
    »Wird das so bleiben?«, fragte Emilia verwundert.
    »Nein, aber ungewöhnlich ist es schon in diesen Breitengraden.«
    Erst Mitte Januar besserte sich das Wetter. Durch die Feuchtigkeit waren etliche Lebensmittel verdorben und seufzend schmiss der Smutje sie ins Meer.
    »Was die Ameisen und die Schaben nicht fressen, verfault«, schimpfte er. »Und die Katze fängt auch keine Mäuse mehr. Das war ein Fehlgriff.«
    Emilia hatte sich mit dem alten Mann angefreundet. Er konnte nicht nur kochen, sondern wusste auch so einiges über Kräuterkunde. Wenn jemand auf dem Schiff krank wurde oder eine leichte Verletzung hatte, kannte er meist ein Gegenmittel oder ein Heilkraut. Er hatte ein ganzes Sammelsurium an Gläsern und Dosen mit allerlei Kräutern und Tinkturen.
    »Die Katze ist sehr anhänglich geworden«, sagte Emilia lächelnd. »Und dick. Ich denke, sie wird werfen.«
    »Ach?« Plötzlich grinste der Smutje und ein Kranz von Falten durchzog sein Gesicht. »Das ist ein gutes Omen. Je mehr Katzen wir an Bord haben, umso weniger Mäuse und Ratten gibt es.« Dann sah er Emilia prüfend an. »Ihr seht blass aus, gnädige Frau.«
    Emilia winkte ab. »Der Seegang macht mir wieder zu schaffen. Meist morgens, wenn ich aufstehe. Das gibt sich sicher bald wieder.«
    Er sah sie nachdenklich an. »Ihr etwa auch, Gnädigste?«
    »Was?«
    Er schwieg erst und lächelte. »Darf man Euch gratulieren?«, fragte er dann sanft.
    Emilia schüttelte den Kopf.

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