Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
er zu Carl.
»Eine Hebamme? Meiner Frau geht es doch gut, oder habt Ihr Sorgen?«
»Nur zur Vorsicht. Kindbettfieber tritt schnell auf und ist gefährlich. Wer hat bei der Entbindung geholfen?«
»Unser Smutje.«
»Nun, wollen wir hoffen, dass alles gutgeht«, sagte er und verabschiedete sich.
Besorgt sah ihm Carl hinterher, ging dann zu Emilia. »Wie fühlst du dich?«
»Wunderbar! Emily trinkt inzwischen auch, ich scheine genügend Milch zu haben.«
»Wir dürfen anlegen und dann wird eine Hebamme kommen.«
Emilia nickte nur. Ihr gefiel es, in der Koje zu liegen und auf den Hafen blicken zu können. Diesmal wollte sie gar nicht an Land gehen.
Die Hebamme kam, und auch sie war zufrieden mit dem Zustand von Mutter und Kind. Sie wies Emilia an, sich weiterhin gut zu schonen und nicht zu früh aufzustehen, aber das hatte Emilia auch gar nicht vor.
Das kleine Mädchen wurde schnell zum Liebling der ganzen Mannschaft. Sie legten zusammen und kauften von ihrer Heuer eine weiche Decke aus Lamawolle für Emily. Der Smutje kam jeden Tag, um nach ihr zu schauen.
»Ich habe das Gefühl, als wäre sie auch ein wenig mein Kind«, sagte er verschämt.
Emilia lachte. »Ohne dich hätte ich es nicht geschafft, Piet.«
Carl fuhr nach Lima, um seine Tochter anzumelden. Er brachte auch Post mit, als er zurückkam.
»Inken hat dir geschrieben. Es sind vier Briefe.«
»Nur Inken?« Emilia hatte in jedem Hafen einen Brief an Inken aufgegeben, hatte aber auch ihren Eltern und Onkel und Tante geschrieben.
Bedauernd zuckte Carl mit den Schultern. »Es tut mir leid. Wirst du deiner Familie mitteilen, dass wir ein Kind bekommen haben?«
»Ja, sie sollen es wissen und dann entscheiden, ob sie ihr Enkelkind wirklich nicht kennenlernen wollen.« Emilia hob trotzig den Kopf, dann las sie voller Freude die Briefe, die ihr Inken geschrieben hatte.
Jedes Mal, wenn sie Post bekommen hatten, hatte sie auf eine Nachricht von Inken gehofft, doch nie war ein Brief für sie dabei gewesen. Jetzt wusste sie auch, warum. Inken hatte alle Briefe zum Agenten nach Lima geschickt.
Ihr traten die Tränen in die Augen, als sie Inkens Zeilen las. Sie schilderte die kleinen Dinge, die in Othmarschen vorgefallen waren. Der Hofhund war gestorben und sie hatten einen neuen anschaffen müssen. Es hatte kurz nach Weihnachten in der Scheune gebrannt, aber niemand war zu Schaden gekommen. Die Katze hatte im Frühjahr geworfen, ausgerechnet im Bett der Tante. Neun Kätzchen waren es geworden.
Sie schrieb auch von den Besuchen der Familie, erzählte von Jasper und Mathilda. Tante und Onkel erwähnte sie nur am Rande.
Emilia hatte Inken geschrieben, dass sie ein Kind erwartete, aber nicht ihrer Familie. Sie glaubte auch nicht, dass Inken ihnen davon erzählen würde.
Noch an jenem Abend schrieb sie der Mamsell in Othmarschen von dem glücklichen Ereignis. Inken davon zu berichten, fiel ihr leicht. Der Brief an ihre Eltern war jedoch schwer. Mehrfach setzte sie sich hin, jedes Mal verwarf sie den Entwurf und zerknüllte das Papier.
Irgendwann werden mir schon die richtigen Worte einfallen, dachte sie.
Nach zwei Wochen verließ sie zum ersten Mal die Kammer und nahm ihre Mahlzeiten wieder zusammen mit den Steuerleuten und Carl in der Kajüte ein.
Der Ballast war schon gelöscht worden, doch es gab Probleme mit der neuen Ladung. Obwohl bestellt, war sie noch nicht geliefert worden. Carl machte sich Sorgen, dass sie die Rückreise nicht rechtzeitig würden antreten können.
»Ich war in Lima«, erzählte Wölsch. »Eine prächtige Stadt mit großen Gebäuden und breiten Straßen.«
Das konnte Emilia kaum glauben. Der Hafen und die Gebäude, die sie vom Anleger aus sahen, wirkten grau und trostlos, ganz anders als das farbenprächtige Valparaiso.
»Morgen werde ich wieder nach Lima fahren – es geht ganz schnell mit der Eisenbahn. Ich habe dort einen Schneider gefunden, der wirklich gut arbeitet und nicht teuer ist.«
»Oh«, seufzte Emilia. Sie brauchte dringend einige neue Kleider, aber an einen Landgang war vorläufig nicht zu denken.
Meist lag dichter Nebel über dem Hafen, es war kühl und feucht. Nur selten ging Emilia an Deck, meist blieb sie in der Kajüte. Palmer, der Bootszimmermann, hatte eine Wiege gebaut und zwei Haken in die Decke der Kajüte gedreht. Dort konnte das kleine Bettchen aufgehängt werden und die Bewegungen des Schiffes wiegten Emily in den Schlaf.
Ferdinand kümmerte sich schon seit einigen Wochen um die Hündin. Jeden
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