Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Sorgen kann ich mir gar nicht machen. Ich habe nun eine Familie.«
Die nächste Woche blieb er ernst und kurz angebunden, dann endlich kam die Ladung und die chinesischen Kulis schleppten sie an Bord. Staunend sah Emilia den kleinen Männern zu, die Sack für Sack über die schwankende Planke trugen und durch die Luke damit nach unten kletterten. Sie sangen dabei und lächelten, auch wenn sie zweioder drei Säcke geschultert hatten. Die Melodien klangen fremd und seltsam, waren aber rhythmisch.
Und dann ging es Schlag auf Schlag – das Schiff wurde beladen, die Vorräte aufgefüllt, Wasser kam an Bord und zu guter Letzt eine neue Katze, denn die Schiffskatze hatte sich davongemacht und ihre Kätzchen mitgenommen. Nur eines war an Bord geblieben, aber es war ein Kater, und da die Mannschaft abergläubisch war, musste auch eine Katze mitfahren.
Peru, dachte Emilia, als sie aus dem Hafen ausliefen, habe ich nicht gesehen. Nur Nebel. Und wieder zog eine dichte Wolkenfront vom Land über den Hafen.
Nun ging es erst nach Valparaiso und dann um das Kap herum. In einigen Monaten würden sie in den Hamburger Hafen einlaufen. Noch hatte Emilia nichts von ihrer Familie gehört, sie fürchtete sich auch davor. Was wird die Zukunft bringen?, fragte sie sich. Sie hatte an Carl eine nachdenkliche und melancholische Seite entdeckt, die er zuvor nie offenbart hatte. Die Verantwortung für seine Familie schien ihn niederzudrücken. Er machte ihr Sorgen. All ihre Befürchtungen über das Leben an Bord mit einem Säugling hatten sich jedoch in Luft aufgelöst. Lily war ein zufriedenes, fröhliches Kind.
Anfang Oktober waren sie wieder in Valparaiso. Der Frühling zog ein und die grünen Hügel rund um die Stadt schienen mit den bunten Häusern um die Wette zu leuchten.
Das Wochenbett hatte Emilia hinter sich gebracht, und sie fühlte sich so wohl, dass sie wieder mit an Land ging. Wie schon beim letzten Mal traf man sich zum Tee und Tiffin in dem Hotel in der Innenstadt unweit des Kontors.
Wenn Emilia die »Lessing« verließ, nahm der Smutje Emily in seine Obhut. Paul Paulsen hatte einen Korb ausgepolstert und Emilia hatte die Innenwände mit Stoff überzogen. In dem Körbchen lag Emily in der Kombüse und gurrte fröhlich vor sich hin. Sie lächelte, wenn sich jemand über sie beugte, und versuchte auch schon, nach Sachen zu greifen.
Die Gespräche im Hotel kreisten um die gleichen Dinge wie voreinigen Monaten – die rasante Entwicklung der Schifffahrt, die Ladungen und Orders und natürlich das Wetter.
»Es werden immer mehr Eisenbahnstrecken gebaut. Irgendwann wird es eine Strecke vom Atlantik bis zum Pazifik geben«, sagte Johan Johanson, der für eine Reederei in Bremen fuhr.
»Unmöglich.« Carl schüttelte den Kopf. »Es ist unmöglich, eine so lange Strecke zu bauen. Es sind zu viele Gebirge und Flüsse zu überwinden, das ist nicht machbar.«
»Doch, ich glaube schon. Und außerdem werden die Raddampfer auf den großen Wasserwegen eingesetzt werden. Sie sind viel schneller als die Segler und nicht vom Wind abhängig.«
»Ja, aber hochseetauglich sind sie nicht.« Schmitt, ein anderer Kapitän, zog heftig an seiner Pfeife. »Doch wenn es eine Eisenbahnlinie bis zum Pazifik geben sollte, werden wir arge Schwierigkeiten bekommen. Eisenbahnen sind effizienter als Dampfschiffe und leichter zu reparieren. Ich habe ein Dampfschiff gesehen, dem in der Nordsee die Welle gebrochen ist. Ganze drei Wochen trieb es immer weiter nördlich. Sie hatten Glück, dass ein Schnellsegler sie gesehen und ihre Lage rapportiert hat, sonst wären sie alle verhungert. Wenn die Welle nicht arbeitet, sind diese Schiffe verloren.«
»Das sind keine Schiffe«, brummte Carl.
»In England wird an hochseetauglichen Dampfschiffen gearbeitet. Schaufelraddampfer sind dafür natürlich nicht geeignet, aber wer weiß, was denen noch so einfällt.«
»Überhaupt«, sagte de Haan, ein weißhaariger Kapitän aus Amsterdam, »wird die Lage für uns schwieriger, wenn die Briten die Kolonien verlieren sollten. Stabiler Handel ist nur in stabilen politischen Verhältnissen möglich. Und in Indien gärt und brodelt es«, sagte er düster. »Das ist sicher der Anfang vom Ende.«
»Ich habe in der Zeitung gelesen, dass es in Kanpur ein Massaker gegeben hat. Schon möglich, dass England Indien verliert«, meinte Johanson.
»Das wäre eine Katastrophe. Im nächsten Jahr sollte ich auf Reisfahrt gehen.« Schmitt schüttelte den Kopf.
»Was ist mit
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