Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Kind ist da, bevor das Wasser kocht. Gnädigste, ich werde das Kind nehmen, nur dass Ihr Bescheid wisst.«
Inzwischen war Emilia alles egal. Sie genierte sich nicht mehr, sie achtete nicht einmal großartig darauf, was um sie herum vorging, sie wollte nur, dass es endlich vorbei wäre.
Er hob das Nachthemd an, tastete. Emilia schob und presste, sie schrie vor Schmerz.
»Noch einmal«, ermutigte Piet sie. »Und noch einmal!«
Sie spürte, wie das Köpfchen austrat, Piet griff danach, hielt es. Emilia holte tief Luft, der stechende, brennende Schmerz hatte aufgehört. Dann spürte sie die nächste Wehe kommen. Sie presste, und etwas rutschte aus ihr heraus.
Emilia lehnte sich zurück, erschöpft, aber glücklich. Sie hatte es überlebt. Das Kind schrie, und Piet legte es ihr in die Arme.
»Ein Mädchen«, sagte er und klang so stolz, als sei er der Vater. »Und genauso hübsch wie Ihr.«
Sie bestaunte das meckernde, zerdrückte, rotblaue Wesen, konnte kaum glauben, dass es in den letzten Monaten in ihrem Bauch gewachsen war, und verliebte sich auf der Stelle in das Kind. »Ein Mädchen«, hauchte sie.
»Emma!« Carl kam in die Kammer gestürzt. »Lebt sie noch?«
»Glückwunsch, Kapitän. Ihr seid Vater einer wunderschönen Tochter. Sie und die Mutter sind wohlauf.«
Carl ließ den Eimer fallen, stürzte an die Koje. »Emma, Emma! Oh. Emma.«
Vorsichtig setzte er sich an den Bettrand, bestaunte das Kind und küsste seine Frau zärtlich. »Ein Mädchen?«
»Bist du enttäuscht?«, fragte Emilia unsicher.
»Nein. Nein, Mädchen bleiben der Familie immer verbunden. Und sie ist so schön. Schau doch nur, die blauen Augen und wie viele Haare sie hat.« Er nahm vorsichtig die Hand des Neugeborenen, das Kind griff nach seinem Finger und hielt ihn fest. Carl wischte sich die Tränen aus den Augen.
»Kapitän«, unterbrach der Smutje die beiden. »Die Nachgeburt muss noch kommen«, sagte er leise.
»Was?«
Der Smutje grinste. »Kocht das Wasser schon?«, fragte er.
»Noch nicht. Brauchen wir es jetzt?« Carl sah ihn unsicher an. »Soll ich es holen?«
»Bitte.«
Als der Kapitän die Kammer verlassen hatte, wandte sich Piet wieder an Emilia. »Es muss noch eine Wehe kommen, damit auch die Nachgeburt herauskommt.«
Emilia nickte, spürte in sich hinein und wieder presste sie, als die Kontraktion kam. Piet wickelte schnell die blutigen Laken zusammen.
»Wofür brauchen wir das kochende Wasser?«, fragte Emilia erschöpft.
»Nur um Euren Mann zu beschäftigen.« Der Smutje lachte leise. »Jetzt ist aber alles vorbei und es ist gutgegangen.«
»Ihr habt eine starke Frau, Kapitän«, sagte Piet, als er an Deck ging. Er schmiss die dreckigen Laken über Bord. Dann wurde er ernst. »Aber alles Weitere wird sich erst in den nächsten Tage entscheiden.«
»Ja, ich weiß«, sagte Carl. »Das Kindbett ist gefährlich.« Er schaute zum Flögel. »Aber der Wind steht gut und wir machen Fahrt. Bald sind wir hoffentlich im Hafen.«
Emilia hatte jegliche Scheu und Scham vor Piet verloren. Sie ließ sich von ihm waschen und helfen, auch beim ersten Anlegen des Kindes war er ihr zur Hand. Er wusch die Kleine, zog sie an und gab sie der Mutter zurück.
Carl kam und bewunderte abermals seine Tochter. Mit großer Dankbarkeit sah er Emilia an. »Ich bin so froh, dass du das geschafft hast. Dass alles gutgegangen ist.« Die Rührung war ihm anzumerken.
»Ohne Piet hätte ich es kaum überstanden«, sagte sie leise. »Er war mir eine große Hilfe.«
»Das ist mir bewusst.«
»Wie sollen wir sie nennen?«, wollte Emilia wissen.
»Ich möchte, dass sie wie die beiden Frauen heißt, die ich am meisten liebe – Emily Wilhelmina. Bist du damit einverstanden?«
»Emily, ja das gefällt mir.«
18. K APITEL
Am nächsten Tag versammelte sich die Mannschaft an Deck vor der Kajüte und gratulierte den frischgebackenen Eltern mit einem kräftigen »Hipphipphurra!«
Emilia erholte sich schnell von der Geburt. Sie verbrachte die Tage in der Koje, bewunderte immer noch ihre kleine Tochter. Der Smutje kochte ihr Leckereien. Drei der Hühner opferte er und das männliche Ferkel. Er verbrauchte auch die letzten Kartoffeln und das wenige Gemüse, das sie noch hatten.
Schon am nächsten Tag fuhren sie in den Hafen ein. Der Arzt und der Zoll kamen an Bord, überprüften die Mannschaft und die Papiere. Der Arzt warf nur einen kurzen Blick auf Emilia.
»Ich schicke Euch eine Hebamme an Bord. Ihr müsst das Kind in Lima anmelden«, sagte
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