Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Australien und Neuseeland?«, fragte Carl. »In Lima habe ich viel Gutes darüber gehört. Dort werden Schiffe gebraucht. Rohrzucker, Kohle und Holz sollen eine lukrative Order sein.«
»Lukrativ könnten Auswanderer sein. Australien steigt im Kurs, nachdem Amerika ja nun schon dicht besiedelt ist und es auch dort unten Gold gibt.«
»Dicht besiedelt?« Schmitt lachte. »Aber nur an der Ostküste und in Kalifornien. Aber der Goldrausch dort ist abgeebbt und die Leute müssen nun anders ihr Glück suchen.«
»Australien bietet sicher vielen Menschen eine Zukunft, aber ich habe kein Passagierschiff, ich will Lasten transportieren.« Auch Carl zündete sich eine Pfeife an und sah nachdenklich in die Runde.
»Wo sich Menschen ansiedeln, brauchen sie Güter. Und sie werden Handel treiben wollen. Kann sein, dass man als Segler dort unten gute Möglichkeiten hat«, sagte Johanson. »Aber wohl kaum, was den Handel mit Europa betrifft. Für welche Reederei segelt Ihr denn?«, fragte er Carl.
»Ich segele unter eigener Flagge.«
»Ja, wenn das so ist … aber was ist mit Eurer Familie? Ihr würdet sie unter Umständen jahrelang nicht sehen. Sieben Monate ist man bis dahin gut unterwegs, und der kürzeste Weg ist immer noch um Kap Hoorn herum.«
»Ich weiß«, sagte Carl nachdenklich. »Ich würde meine Familie mitnehmen wollen.« Er schaute zu Emilia.
»Aber wisst Ihr denn, wie dort die Verhältnisse sind?«
»Bisher noch zu wenig, deshalb frage ich ja.«
Doch niemand aus der Runde konnte ihm genauere Auskunft geben. Sie spekulierten darüber, ob tatsächlich das Kabel von England nach Amerika verlegt werden konnte. Bisher gab es unterschiedliche Meldungen dazu. Immer wieder riss es und musste mühsam geflickt werden.
Emilia lauschte interessiert der Unterhaltung. Auch diesmal waren wieder drei Kapitänsfrauen in Valparaiso. Mit ihnen sprach sie überdas, was ihr im Moment am meisten am Herzen lag – die Familie und das Kind.
Kapitänsfrau de Haan war kinderlos geblieben und fuhr schon seit Jahren mit ihrem Mann mit. Sie war eine resolute Person, die die Mannschaft fest im Griff hatte, wie Emilia feststellte, als sie sie an Bord besuchte.
Frau Schmitt hatte einen zweijährigen Sohn. Dies war ihre letzte Fahrt mit ihrem Mann, erklärte sie.
»Julius wird immer mobiler. Ich kann ihn kaum noch aus den Augen lassen. Er liebt es, an Deck zu sein, egal, bei welchem Wetter. Ich habe so Angst, dass eine Welle übergeht und ihn mitnimmt.«
»Habt Ihr einen Boy für ihn?«
»Ja, aber Francois ist unzuverlässig. Er ist am liebsten in der Kombüse und nascht oder klaut, statt auf den Jungen aufzupassen. Wir müssen ihn wohl oder übel noch mitnehmen nach Haiti, wo er herkommt.« Sie seufzte. »Danach werden wir uns eine andere Lösung überlegen müssen. Ich kann ja nicht den ganzen Tag auf das Kind aufpassen, ich komme ja zu gar nichts.«
»Schläft er bei Euch in der Kammer?«
»Schon lange nicht mehr. Wir haben ihn in der Lotsenkammer einquartiert. Doch das ist auch nicht mehr machbar, wenn wir nach Sumatra segeln. In den Gewässern braucht man einen Lotsen für mehrere Tage. Also habe ich beschlossen, dass ich an Land bleibe, wenn wir wieder in der Heimat sind. Ein Jahr also noch.«
»Und dann? Wie werdet Ihr das ertragen?« Emilia schüttelte den Kopf. »Ich kann mir das Leben gar nicht mehr anders vorstellen. Wenn ich an Land bleiben müsste und meinen Mann nur alle anderthalb Jahre sehen würde, ich glaube, das würde ich nicht aushalten.«
»Wir haben vorher schon drei Jahre so gelebt – zwei Monate nachdem wir geheiratet haben, ging er auf große Fahrt und kam erst im nächsten Jahr wieder. Er war in Amerika, als der Junge geboren wurde, und hat ihn erst gesehen, als Justus schon ein halbes Jahr alt war. Da sind wir dann mit an Bord gegangen. Es wird nicht einfach werden. Aber ich weiß keine andere Lösung.«
Der Gedanke an die Zukunft beschäftigte Emilia sehr. Sie konnte sich nicht vorstellen, wieder in Hamburg oder Othmarschen zu leben – wo auch? Sie hatte dort keine Heimat und keine Familie mehr. Sollte sie sich dort etwa eine kleine Wohnung nehmen, in der sie und Emily allein hausen würden, bis Carl von seinen Reisen kam? Ein fürchterlicher Gedanke.
Sie blieben nur wenige Tage in Valparaiso, füllten noch einmal alle Vorräte auf und gaben die Briefe in die Heimat ab. Die Briefe, die über den Landweg an den Atlantik gingen, wären vor ihnen in Hamburg.
Carl hatte es eilig, nach Hause zu kommen
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