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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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sie.
    »Nein, nein, Mutter, das darfst du nicht. Du musst dich erholen, das hat Vater mir gesagt.«
    »Ja.« Anna nickte. »Wir müssen durch diese schweren Zeiten hindurch und uns immer wieder vor Augen halten, dass es für Tante Minna und Onkel Hinrich viel schlimmer ist als für uns.«
    »Ja, Mutter.«
    Julius rührte sich. Er quäkte leise. Anna beugte sich über die Wiege und nahm ihn hoch. »Sch-sch-sch«, wisperte sie. »Hast du Hunger, kleiner Mann? Emma, kannst du Inken hochschicken? Julius muss gewickelt werden.«
    »Natürlich!« Das Mädchen sprang auf. Sie schaute ihre Mutter und den kleinen Bruder an und plötzlich wurde ihr ganz warm vor Glück.
    Es ging auf Weihnachten zu und so langsam gewöhnten sie sich an die Enge und die vielen Leute im Haus. Dörte hatte die Leitung der Küche übernommen, Inken kümmerte sich um Anna und Julius. Die alte Sofie wurde nur noch gelitten. Sie schien immer kleiner zu werden. Auch das Haus selbst hatte sich verändert. Die neuen Möbel rochen nach Holz, Leim und Farbe, Teppiche lagen auf dem Boden. Fast jede Woche fuhr Tante Minna nach Hamburg oder Lübeck und brachte Sachen mit. Bücher, Geschirr, Stoff, Kleidung. Erst hatte Onkel Hinrich das begrüßt, doch nun wurde er jedes Mal mürrischer.
    Anna wollte nicht so recht auf die Beine kommen, doch Julius gedieh prächtig.
    Es war kalt und unter den Regen mischte sich Schnee, als Emilia im Salon saß und mit ihren Puppen spielte. Bei Jörgensens war sie schon etliche Tage nicht gewesen, dort herrschte die Bräune. Tante Minna schätzte den Kontakt ihrer Nichte zu den Nachbarn nicht und hatte dies schon mehrfach geäußert. Meistens überhörte Emilia das, was ihre Tante sagte, einfach.
    »Mats soll das Feuer schüren«, sagte Hinrich, als er den Salon betrat, und rieb sich die Hände. »Was für ein Schietwetter.«
    »Es wird gleich Essen geben«, erwiderte Martin und schüttelte sich. »Mats«, rief er. »Das Feuer im Salon ist heruntergebrannt. Wir werden uns noch den Tod holen.«
    »Sofort, gnädiger Herr.« Mats legte Holz nach und zündete die Kerzen an. »Die Zeitung ist gekommen. Ich habe sie dort auf den Tisch zur Post gelegt«, sagte er.
    »Guter Mann.« Martin klopfte ihm auf den Rücken. »Gibt es sonst noch etwas?«
    »Die Stute lahmt immer noch. Wir machen jetzt Umschläge mit Huflattich. Die Räucherware haben wir in den Trockenkeller gebracht. Ich habe neues Brennholz geordert.«
    Martin nickte zufrieden. Mats verbeugte sich leicht und verließ den Salon.
    Die beiden Männer setzten sich vor den Kamin. Hinrich nahm die silberne Zigarettenschachtel hervor. Martin entdeckte seine Tochter.
    »Täubchen, komm, gib deinem Vater einen Kuss«, sagte er.
    Emilia sprang auf und lief zu ihm. Er roch nach Schnee und nach grünem Holz. Sie küsste ihn auf die Wange.
    »Wie geht es deiner Mutter?«
    »Sie war heute Nachmittag ein wenig auf und sogar hier unten«, berichtete das Mädchen. »Julius hat wieder gelacht. Er ist ein Schatz!«
    Martin nickte zufrieden. Dann wandte er sich seinem Bruder zu. »Das Schiff sollte nächstes Jahr rechtzeitig vom Stapel laufen.«
    »Das ist gut. Sehr gut sogar. Ich war an der Ziegelei. Wir können uns vor Aufträgen kaum retten. Mit Lindley habe ich morgen einen Termin, auch Chateauneuf wird dabei sein. Rund um die Kleine Alster wird ein komplett neues Stadtbild entstehen.« Hinrich lehnte sich zufrieden zurück.
    »Ob Architekten und Ingenieure tatsächlich eine Stadt planen können? So etwas muss doch wachsen«, sagte Martin skeptisch.
    »Nein, das muss nicht wachsen. Die ganze Wasserwirtschaft und die Abwässer können so viel besser geregelt werden. Es hat alles nur Vorteile. Aber das Beste ist, Bruder, wir verdienen daran. Und wir verdienen gut.«
    »Das ist auch nötig«, murmelte Martin. »So, wie deine Frau das Geld mit vollen Händen ausgibt.«
    Hinrich räusperte sich. »Da sprichst du ein wahres Wort gelassenaus. Ich werde nochmals mit ihr reden. Es nimmt überhand zurzeit. Ich wünschte, wir müssten euch nicht so zur Last fallen. Wilhelmina fühlt sich hier nicht wohl.«
    »Ja«, sagte Martin bedrückt. »Das tut mir sehr leid und Anna auch. Ich wünschte, wir könnten etwas tun, damit es ihr bessergeht.«
    Hinrich lachte rau. »Ihr tut schon alles und mehr als das. Was wollt ihr noch tun? Es ist schwer für sie. Besonders schwer ist es, Julius zu sehen.« Er blickte auf und legte seinem Bruder die Hand auf den Arm. »Wir sind sehr glücklich für euch, freuen uns,

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