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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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dich nicht zu sehr in den Haushalt ein.«
    »Es ist jetzt auch mein Haushalt«, sagte Minna spitz. »Es ist der Familiensitz, er gehört euch beiden. Und Anna ist nicht in der Lage, ihn vernünftig zu führen.«
    »Mach, was du nicht lassen kannst, aber ich will keinen Streit«, brummte er und vertiefte sich wieder in die Zeitung.
    Emilia schlich sich aus der Stube, die laut Tante Minna jetzt Salon hieß, und rannte die Treppe nach oben. Vor dem Schlafzimmer ihrer Eltern blieb sie keuchend stehen, versuchte sich zu sammeln.
    Dann klopfte sie. »Mutter?«
    »Emma? Liebes, komm rein.«
    Ihre Mutter lag in dem großen Bett aus dunklem Holz, das so wirkte, als hätte es schon immer dort gestanden und das Zimmer wäre um es herum gebaut worden. Die Pfosten waren dick und schwer, ein Baldachin aus schwerem Stoff bildete den Himmel. IhreMutter saß im Bett, an mehrere Kissen gelehnt. Die Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, der ihr über die Schulter hing. Immer noch sah sie blass aus, doch sie lächelte Emilia freudig entgegen.
    Langsam näherte Emilia sich dem Bett. In der Wiege schlummerte Julius, ihr kleiner Bruder. Sie fand ihn winzig, aber alle anderen waren von seiner Größe und seinem Gewicht beeindruckt. Sie hatte ihn ein paar Mal gesehen, durfte ihn auch einmal mit Hilfe des Vaters halten. Seine Stupsnase und die dunklen Augen, der süße Mund und die kleinen Finger bezauberten sie.
    »Emma? Hast du Kummer?«, fragte die Mutter besorgt, nachdem sie ihre Tochter gemustert hatte. »Komm, setz dich hier auf das Bett und erzähl mir, was passiert ist.«
    »Mutter, dies ist doch unser Haus, nicht wahr?«
    »Aber natürlich. Warum fragst du?« Anna lachte leise.
    »Weil, weil, nun, weil Tante Minna gesagt hat, es gehöre ihr.«
    »Ach? Da musst du dich verhört haben, Liebes. Sie wohnen jetzt hier, bis das Haus in Hamburg wieder aufgebaut ist. Und so lange ist das auch ihr Zuhause. Aber sie werden wieder nach Hamburg ziehen, das ist gewiss.«
    »Wirklich? Aber, aber, aber sie mag nicht, was Inken kocht, sie findet es hier mittellich oder so.«
    »Mittellich?« Anna zog die Stirn kraus.
    »Mittellichmass oder so, hat sie gesagt.«
    »Mittelmäßig?«
    »Genau, das hat sie gesagt. Und dass wir die Seife selbst machen und alles, will sie ändern. Darf sie das? Sie hat doch schon mein Zimmer bekommen. Darf sie noch mehr?«
    Anna schwieg nachdenklich. »Kind«, sagte sie schließlich leise. »Komm her, komm in meinen Arm.«
    Emilia senkte den Kopf. »Ich habe mir nicht die Hände gewaschen«, sagte sie und versteckte ihre Arme hinter dem Rücken. »Vater hat mir gesagt, dass ich dein Zimmer nur betreten darf, wenn meine Hände ganz sauber sind.«
    Anna lachte. »Du solltest Julius nicht anfassen, aber ich darf dichin den Arm nehmen. Und das möchte ich jetzt auch. Also komm her.«
    Emilia rückte näher und kuschelte sich vorsichtig an ihre Mutter. Seit Julius auf der Welt war, war Mutter anders, dachte sie. Sie war nicht mehr so traurig und voller Sorge.
    »Schau, Tante Minna hat es sehr schwer. Sie hat alles verloren.«
    »Ich weiß«, murmelte Emilia. »Das sagt Inken auch immer.«
    »Siehst du. Du bist auch traurig, weil du dein Zimmer abgeben musstest, nicht wahr?«
    Emilia nickte. »Oben ist es so klein, auch das Fenster ist winzig. Ich kann gar nicht richtig rausgucken. Jetzt sehe ich nicht mehr, wenn Mette draußen wartet.«
    »Aber du weißt, dass es nur vorübergehend ist. Wenn Tante Minna und Onkel Hinrich zurück in die Stadt ziehen, bekommst du dein Zimmer wieder.«
    »Ja?« Emilia schaute ihre Mutter mit großen Augen an.
    Anna nickte ernsthaft. »Ja, natürlich. Aber Tante Minna kann nie wieder in ihr Haus zurück, weil es kaputt ist. Es ist nichts mehr davon da. Sie hat alles verloren. Ihre Kleider, ihre Möbel, ihren Schmuck, ihre Bücher, ihre Briefe. Alles. Auch alles, was sie an ihre Kinder erinnert. Weißt du noch, wer Frederik war?«
    Emilia nickte. »Mein Cousin.«
    »Er ist leider gestorben. Und sie hat keine Erinnerungsstücke mehr von ihm. Noch nicht mal eine Haarlocke.«
    »Das ist traurig.« Emilia seufzte.
    »Ja, das ist es. Und wenn Leute sehr traurig sind, sagen sie manchmal Sachen, die sie nicht so meinen.«
    »Also schmeckt ihr Inkens Essen doch? Tante Minna will, dass Dörte die Küche führt. Aber Dörte spricht so seltsam und sagt immer französische Wörter. Und sie kann Sofie nicht leiden.«
    Anna holte tief Luft. »Ich wünschte, ich könnte schon aufstehen«, murmelte

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