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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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wenn, ich glaube nicht, dass sie dann milder gestimmt wäre.«
    »Wenn sie wieder ein eigenes Kind hätte, würde sie nicht mehr soviel an unserer guten Frau und an Julius herummäkeln. Vielleicht würde sie dann auch unsere Emma in Frieden lassen.« Inken sah zu dem Kind und nickte.
    »Der Winter wird lang und hart werden, Inken, das sage ich dir. Und wir werden uns auf weitere Unannehmlichkeiten mit ihr einstellen müssen.« Sofie nickte düster.
    Sofie hatte ihr Zimmer räumen müssen und war in die Remise gezogen. Dort wohnte Ole schon immer, so war sie wenigstens nicht allein. Er hatte ihr eine kleine Kammer im Heuboden hergerichtet und versorgte sie jeden Abend mit Kohle für den kleinen Ofen. Trotzdem war es dort zugiger als im Haupthaus, und seit einigen Tagen plagte Sofie ein hartnäckiger Husten, den Inken mit Sorge beobachtete.
    Emilia verstand nicht alles, was die Frauen sagten. Nachts im Bett dachte sie über die Worte nach. Die Kohle glühte in dem Becken in der Ecke und verbreitete eine diffuse Wärme, aber gleichzeitig war die Luft voller Rauch. Emilia wälzte sich im Bett. Stimmte das, was sie da gehört hatte? Tante Minna erwartete ein Kind? Zumindest vielleicht. Das wäre schön für die Tante, befand Emilia. Dann hätte sie wieder ein eigenes Kind, um das sie sich kümmern könnte. Der Gedanke machte sie froh. Sie drehte sich um und schaute zu dem kleinen Dachfenster. Der Mond schien und Schneeflocken tupften an das Fenster. Der Winter war da und bald kam Weihnachten. Zufrieden schlief sie ein.
    Die Hoffnungen wurden enttäuscht. Am Weihnachtstag noch saß Tante Minna im Sessel am Ofen und hatte die Hand auf den flachen Bauch gelegt, schon am nächsten Tag aber lag sie im Bett und wollte nicht aufstehen.
    »Es lag nicht am Essen«, sagte Dörte und schrubbte wütend den Messingtopf. »Ganz sicher nicht.«
    »Wer sagt denn so etwas?«, fragte Inken verwundert.
    »Ach, niemand. Der Herr meinte nur, die Gans sei zu fettig gewesen und vielleicht krank.«
    Inken lachte. »Die Gans kam aus unserem Nutzgarten. Mats hat sie geschlachtet, da warst du doch dabei. Lass dich nicht verunsichern, sie sind halt traurig.«
    »Aber es ist doch Weihnachten«, rief Emilia. »Da soll keiner traurig sein.«
    Sie zumindest war es nicht. Am Weihnachtstag hatte die Mutter das erste Mal wieder den ganzen Tag unten verbracht. Julius war gesund und munter, er krähte und lachte. Bald schon würde er seine ersten Kleider bekommen. Er hatte schon zwei Zähnchen, die wie kleine Reiskörner in seinem Mund blitzten. Manchmal weinte er auch, so dass er Emilia leidtat.
    »Es tut weh, wenn die Zähne kommen«, erklärte Sofie ihr an diesem Morgen. »Gib ihm diese Veilchenwurzel, darauf kann er kauen.« Sofie hielt Emilia eine Wurzel hin.
    »Er soll das essen?«, fragte sie verwundert.
    »Nein, er soll nur daran lutschen und darauf herumkauen, das hat dir auch geholfen. Und nun lauf und bring deinem Bruder die Wurzel.«
    Sofie hatte, wie mit so vielem anderem, recht. Julius nahm die Wurzel begeistert in seine dicken Fäuste, steckte sie in den Mund und kaute und lutschte sie. Die Schmerzen schienen nachzulassen. Er lag in einem Körbchen in der Küche, da Inken half, das Geschirr zu spülen und das nächste Mahl vorzubereiten.
    »Brauch ich das auch?« Emilia grinste breit. Sie hatte die Schneidezähne oben und unten kurz hintereinander verloren und lispelte nun, egal, wie sorgsam sie sprach. Die Tante hatte angefangen, französisch mit ihr zu sprechen, und regte sich jedes Mal über Emilias Aussprache auf.
    Sofie lachte. »Hast du denn Schmerzen?«
    »Nein.« Emilia schüttelte energisch den Kopf und schielte immer wieder zu Mats, der am Ofen saß und die Schlittschuhe, die sie zu Weihnachten bekommen hatte, schliff.
    »Dann brauchst du auch keine Veilchenwurzel.« Sofie beugte sich vor, hielt ihr Schnupftuch vor den Mund und hustete.
    »Sie sollte nicht hier in der Küche sein«, sagte Dörte empört und warf Sofie einen verächtlichen Blick zu. »Sie sollte gar nicht hier sein, sie bringt uns noch allen den Tod.«
    »Aber sie gehört doch zu uns!«, rief Emilia empört. »Sie gehört zur Familie, schon immer.« Sie ging zu Sofie und drückte die alte Frau, erschrak aber, als sie nur Knochen durch die wollene Kleidung fühlte. »Sofie, du musst mehr essen«, wisperte sie.
    »Ist schon gut, Kleines.« Mühsam stand die alte Frau auf und humpelte zur Tür. »Ich ziehe mich von der hohen Herrschaft hier zurück.« Beim Hinausgehen

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