Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
fragte Tante Minna schnippisch. »Hinrich, wir sollten sie morgen suchen. Es ist unerträglich ohne eigene Dienstmagd.«
Inken kam in die Küche. Sie wischte sich den Schweiß von der Stirn. Ihre Wangen waren gerötet, die Haare und die Kleidung feucht vom Dampf. Doch um ihre Augen herum war sie blass.
»Gregor, lass dir von Mats Anziehsachen geben, damit ich deine gleich mitwaschen kann«, sagte sie leise.
»Lass den Burschen doch erst einmal etwas essen. Es ist noch ein Rest von dem guten Eintopf da«, meinte Martin und drehte sich dann zu seiner Magd um. »Hast du schon etwas gegessen?«
»Einen Kanten Brot.«
»Dann setz du dich auch und iss. Es hat keinen Zweck, wenn wir bis zum Umfallen schuften. Die nächsten Tage wird es noch genug zu tun geben. Mats hab ich zum Röperhof um Hilfe geschickt.«
Dankbar setzte sich Inken und nahm sich eine Schale Eintopf.
»Und wir gehen in die Stube. Dort können wir in Ruhe überlegen, wie es weitergehen soll«, beschloss Martin.
Niemand achtete auf Emilia. Sie drückte sich in die Ecke der Bank, zog die Beine an den Körper und steckte den Daumen in den Mund. Im Dämmerschlaf hörte sie das Gesinde reden.
»Alles wird sich verändern«, sagte Gregor.
»Das wird es«, stimmte ihm Inken zu. »Und ich weiß nicht, ob mir das gefällt.«
»Wie meinst du das?«
»Nun, deine Herrschaft wird hierherziehen müssen und ihr alle auch. Es wird ganz schön eng werden.«
Gregor lachte leise. »Das Haus hier ist groß. Aber ich glaube nicht, dass mein Herr es lange auf dem Land aushalten wird.«
»Er hat doch keine andere Wahl? Will er etwa im Schutt leben?«
»Ihm würde ich das zutrauen, aber ihr nicht.«
Inken lachte. »Wahrlich nicht.«
Sie hielten inne, als von oben wieder ein Schrei ertönte.
»Die Arme«, murmelte die Magd. »Nimmt das denn kein Ende?«
»Wenn das Kind überlebt, wird meine Herrin noch neidvoller sein, als sie es jetzt schon ist. Sie hofft immer noch, dass auch ihr Leib wieder gesegnet wird.« Gregor nahm sich noch einen Schluck Bier. »Wo finde ich etwas zum Anziehen?«
»Frag Ole, er ist wohl im Stall. Er soll dir etwas geben.«
Emilia nickte ein. Es war dunkel draußen, als es wieder unruhig wurde in der Küche. Mats hatte zwei Mägde vom Gutshof mitgebracht. Sofort spülten sie die Wäsche aus, die Inken in die Lauge gelegt hatte.
»Es macht keinen Sinn, sie nach draußen zu hängen. Immer wieder weht der Wind Asche her. Wir bringen sie auf den Speicher, dort ist es staubig, aber trocken«, beschloss Inken.
Und dann wurden die Schreie heftiger. Verzweifelt klang es, bald auch kraftlos.
»Das nimmt kein gutes Ende«, meinte Gritt, die blonde Magd. »Das hört man schon.«
»Mal den Teufel nicht an die Wand«, schimpfte Inken. »Wir wollen beten, dass du unrecht hast.«
Gegen Morgen, als das Feuer die Börse in Hamburg umschloss, gebar Anna Bregartner ihren Sohn.
Das rote Licht der aufgehenden Sonne verblasste hinter dem Feuerschein.
Hektik herrschte in der Küche. Das Gesinde war kaum zum Schlafen gekommen und nun musste das Frühmahl für etliche Personen mehr bereitet werden.
Für die Mutter köchelte ein Topf mit Brühe auf dem Herd. Der Duft zog durch die Räume und ließ Emilia das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wenn Inken die Suppe kochte, bedeutete das, dass ihre Mutter die Geburt überstanden hatte, hoffte Emilia.
»Na, magst du auch etwas?«, fragte Inken und reichte ihr ein Schüsselchen. »Anschließend kannst du dir die Hände und das Gesicht waschen und deinen kleinen Bruder begrüßen.«
Das Mädchen sah sie aus großen Augen an. »Ein Bruder?«
Inken nickte und lächelte.
»Und … Mutter?«, traute Emilia sich kaum zu fragen.
»Sie ist geschwächt, hat aber alles gut überstanden.« Inken strich ihr über den Kopf, sie sah nachdenklich aus.
»Darf ich zu ihr?«, wollte Emilia wissen.
»Heute noch nicht. Sie braucht Ruhe. Aber deinen Bruder darfst du begrüßen, wenn du möchtest.«
»Ja.« Emilia sprang auf und lief in die Badekammer, wusch sich die Hände und das Gesicht. Der Raum war immer noch feucht und roch nach Seife, auch wenn die Fenster weit geöffnet waren. Das Mädchenschaute nach draußen, sah den dunklen Himmel mit den Rauchschwaden. Immer noch brannte es.
Darüber denke ich später nach, beschloss sie.
»Willst du nicht erst deine Suppe essen?«, fragte Inken.
Emilia stemmte die Fäuste in die Seiten. »Also weißt du, Inken, Suppe kann ich jeden Tag essen, aber meinen neuen Bruder begrüßen
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