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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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gezuckertes Obst. »Aber du leidest ja auch unter all den neuen Regeln.«
    Emilia nickte ernsthaft. Sie war stolz, dass sie dabeisitzen und zuhören durfte.
    »Wann ziehen Onkel und Tante endlich wieder weg? Mutter hat gesagt, ich darf dann mein Zimmer wiederhaben. In der Mansarde ist es so kalt und ungemütlich. Da habe ich noch nicht einmal einen Kachelofen, sondern nur die olle Kohlenpfanne, und die stinkt.« Sie rümpfte die Nase.
    »Wer weiß, ob die je wieder zurückziehen«, sagte Sofie düster. »Eher zieht unsere Herrschaft aus.«
    Emilia riss vor Schreck den Mund auf. »Oh nein, das werden wir nicht.«
    »Immer mit der Ruhe.« Inken warf Sofie einen warnenden Blick zu. »Nun mach dem Kind doch keine Angst. Unser Herr wird sein Elternhaus nie verlassen. Er ist ja auch damals nicht nach Hamburg gezogen, obwohl sein Bruder ihn dazu gedrängt hat.«
    »Das weiß ich ja gar nicht.« Emilia steckte sich eine gezuckerte Aprikose in den Mund und lutschte genüsslich.
    Inken lachte. »Das kannst du auch nicht wissen, da gab es dich ja noch gar nicht.«
    Emilia dachte nach. Der große Brand hatte ihr ganzes Leben verändert, sie würde sich immer daran erinnern. Sie erinnerte sich auch noch gut daran, wie das Leben war, bevor Tante Minna und Onkel Hinrich nach Othmarschen gezogen waren. Vielleicht zogen sie ja doch bald wieder aus und alles würde wieder so werden wie früher. Nicht alles, denn für Emilia hatte eine neue Zeit angefangen. Es begann kurz nach dem Brand.
    »Das Kind braucht eine Ausbildung«, hatte Tante Minna damals gesagt.
    »Sie kommt im Herbst in die Dorfschule. Da wird sie lesen, schreiben und rechnen lernen«, hatte Martin erwidert.
    Darauf freute sich Emilia schon lange. Sie würde mit den Jörgensens zusammen zur Schule gehen.
    »Das ist nicht standesgemäß, mein lieber Schwager. Du kannst sie doch unmöglich mit den Kindern der einfachen Leute auf die Schule schicken.«
    »Ich bitte dich, Wilhelmina, alle unsere Nachbarn, und darunter sind recht betuchte Kaufleute, schicken ihre Kinder hier zum Lehrer und zum Pastor. Auch die Mädchen lernen die Grundlagen des Wissens. Außerdem unterrichtet die Frau des Lehrers die Mädchen in der Handarbeit. Alles, was Haushaltsdinge angeht, wird Anna dem Kind beibringen.«
    »Wir hatten einen Hauslehrer für unsere Kinder. Schon mit vier Jahren haben sie zu lernen begonnen. Emilia ist jetzt sechs.« Wilhelmina zog die Augenbrauen hoch. »Und sie wächst hier auf wie eine Distel.«
    Martin räusperte sich. Das tat er immer, wenn er sich ärgerte, wusste Emilia. Sie fühlte sich seltsam, weil ihre Tante über sie sprach, als wäre sie gar nicht da, dabei stand sie doch neben den beiden.
    »Ich freue mich schon so auf die Schule. Und ich will auch ganzfleißig lernen. Meinen Namen schreiben kann ich schon, das hat mir Mette beigebracht. Und von Kasper kenne ich die Zahlen bis zwanzig. Ich kann auch schon ganz gut zusammenzählen«, sagte sie stolz.
    »Schweig, Kind, wenn du nicht angesprochen worden bist.« Tante Minna sah sie streng an und Emilia zuckte zusammen.
    »Aber, aber es geht doch um mich«, sagte sie trotzig.
    »Emilia.« Ihr Vater runzelte die Stirn. So kannte sie ihn gar nicht. »Geh in die Küche. Du kannst bestimmt Inken helfen. Heute ist doch Backtag.«
    Emilia trollte sich missmutig.
    Sie durfte dann aber doch ab dem Sommer in die Dorfschule gehen, nachmittags unterrichtete Tante Minna sie zu Hause zusätzlich in Latein und im Nähen. Emilia hasste Latein.
    »Wenn Onkel und Tante wegziehen«, sagte sie und nahm sich eine weitere Aprikose, »hab ich keinen Unterricht mehr bei Tante Minna.« Sie grinste. »Hoffentlich ist ihr Haus bald wieder aufgebaut.«
    Inken seufzte. »Das wird dauern, mein Täubchen. Aber vielleicht hast du Glück und deine Tante Minna hat bald keine Zeit mehr für dich.«
    Sofie lachte auf, hustete und rang nach Luft.
    »Ich mach dir gleich einen Brustwickel«, sagte Inken und schnitt der alten Magd noch eine Scheibe von dem Braten ab. »Iss, damit du bei Kräften bleibst.«
    »Glaubst du wirklich, dass sich ihr Wunsch erfüllt?«, fragte Sofie, nahm das Fleisch und kaute vorsichtig an der Kante. »Ich nicht. Es ist Wunschdenken.«
    »Aber sie ist über ihre Zeit. Und es wäre gut für uns alle, wenn sie ein Kind trüge.«
    Sofie schüttelte den Kopf. »Verspricht dir nicht zu viel davon. Selbst wenn sie über ihre Zeit ist, sie kommt langsam in ein Alter, wo es für eine Frau schwierig wird, zu empfangen. Und selbst

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