Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
dass es Julius gibt, dass er lebt. Missversteh mich da nicht. Aber sie trauert doch so sehr um unsere Kinder.«
»Ja«, sagte Martin und seufzte. »Gott gibt und Gott nimmt. Manchmal sind seine Werke schwer zu verstehen.«
Die beiden Männer schwiegen für einen Moment. Dann hob Hinrich wieder den Kopf. »Wir sollten über das Geschäft nachdenken.«
»Es läuft doch gut. Die Werft hat Aufträge und jetzt noch die Ziegelei in den Ländereien, die bisher wertlos erschienen. Was willst du mehr?«
»Wir sollten in die Kauffahrtei einsteigen. Hamburg braucht mehr als Ziegel, und Ziegel bringen wir schon mit den alten Frachtkähnen herbei. Wir bauen Schiffe, warum sollen wir nicht auch handeln? Eigene Schiffe auf die große Fahrt schicken! Wir haben alles, was es dazu bedarf.«
»Hinrich, der Großseehandel und die Kauffahrtei läuft mehr über Amsterdam und Gravesend, weniger über Hamburg. Und jetzt erst recht nicht, jetzt, wo Hamburg quasi eine Ruine ist.«
»Der Hafen ist nicht betroffen, der Handel floriert mehr denn je. Denk darüber nach, Bruder.«
»Mangez!«, rief Dörte.
»Herrje«, seufzte Hinrich. »Es würde doch reichen, wenn sie uns zum Essen riefe.«
Martin lachte. »Es ist deine Dienstmagd, nicht meine.«
Früher hatten sie an dem Tisch in der Stube gegessen, aber die Stube war nun der Salon. Dort, wo einst der Tisch stand, war nun ein Sofa. Regale bedeckten die Wände. Nach und nach wollte Tante Minna sie mit Büchern füllen, sie war schon eifrig dabei. In einem der Wirtschaftszimmer waren die Wände in aller Eile getäfelt worden, dort standen nun der Tisch und die Stühle und dort wurde das Essen serviert. Emilia schlüpfte hinter ihrem Vater aus dem Salon und kam vor ihm im Esszimmer an. Sie setzte sich auf ihren Platz, schaute auf ihre Hände und seufzte. Dann stand sie wieder auf und ging in die Waschstube, wo jetzt immer frisches Wasser bereitstand. Tante Minna kontrollierte Emilias Finger jedes Mal vor dem Essen und schickte sie oft genug zum Händewaschen.
Es roch köstlich nach Schweinebraten und Grünkohl. Dörte kochte gar nicht so anders als Inken. Nur hatte Inken die Speisen immer in Schüsseln und Schalen serviert, alle zugleich. Suppe, Fleisch, Beilagen, Gemüse. Dörte brachte erst die Suppe in einer großen Terrine auf den Tisch. Danach servierte sie das Fleisch und die Beilagen. Manchmal gab es etwas, was sie einen »Zwischengang« nannte.
Zuerst war es sehr ungewohnt, und Emilia, wie auch ihr Vater, nahmen sich von der Suppe mehr als früher, weil der erste Hunger so groß war. Die Hauptspeise brachten sie dann kaum noch hinunter. Aber inzwischen hatten sie sich daran gewöhnt, dass das Essen erst nach und nach serviert wurde.
Tante Minna achtete streng auf die Tischmanieren, sie fand bei fast jeder Mahlzeit etwas, was Emilia anders und besser machen sollte.
»Es ist so anstrengend«, seufzte Emilia, als sie später bei Inken in der Küche saß. »Ich werde das nie richtig lernen.«
»Madame hat eben genaue Vorstellungen.« Inken verzog das Gesicht. Dörte kochte zwar, aber alle anderen Küchentätigkeiten, wie Gemüse schnippeln, Erbsen auslesen und auch das Geschirr spülen, hatte Inken zu erledigen. Inge, das zweite Mädchen von Wilhelmina, war für die Kleidung und die Räume der Herrschaft zuständig. Sie putzte Staub, wischte die Böden und klopfte die Teppiche aus. Allerdings nur in den Räumen, die Hinrich und Wilhelmina bewohnten.
»Gibt es noch Suppe?« Die alte Sofie kam in die Küche geschlurft. Sie hatte das Umschlagtuch fest um ihre Schultern gewickelt und rieb sich die Hände. »Es wird schneien heute Nacht.« Sie hustete. »Wo sind die anderen?«
Inken zuckte mit den Schultern. »Wer weiß. Mats und Ole sind noch draußen und versorgen die Tiere, Gregor ist in Hamburg, er hat einen Auftrag von seinem Herrn. Nun setz dich, ich habe extra etwas Suppe für dich aufbewahrt.« Sie neigte den Kopf und flüsterte: »Braten ist auch noch da, komm, ich schneide dir ein Stück ab.«
»Ich dachte, wir dürfen nichts vom Essen der Herrschaft?«, sagte Sofie spitz.
»Solange Dörte das nicht sieht.« Inken lachte leise, aber freudlos. »All diese neuen Regeln. Ich verstehe nicht, warum unsere Herrschaft das zulässt. Dörte bestimmt hier über die Küche, als wären wir die Flüchtlinge und sie hätte uns aufgenommen. Dabei ist es doch andersherum.« Sie warf Emilia einen scharfen Blick zu. »Dass du das bloß nicht weiterträgst, Fräulein. Hier«, sie gab ihr
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