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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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sie hatten sich so viel zu erzählen. Carl berichtete von der Mannschaft – wer noch dabei war und von den Neuen. Dann schliefen sie erschöpft ein.
    Vier Tage später lief die »Lessing« aus dem Hafen von Sydney aus in Richtung Perth. Dort würden sie Weizen aufnehmen und nach Neukaledonien bringen. In Neukaledonien sollten sie Sandelholz aufnehmen, das nach Singapur verschifft wurde. Von Singapur aus ging es mit einer Ladung Reis zurück nach Sydney.
    Schnell gewöhnten sich die Mädchen an das Leben an Bord. Minnie blieb jedoch stiller und zurückhaltender als Lily. Emilia genoss es, endlich wieder mit Carl vereint zu sein. Nur wenige Wochen im Jahr verbrachten sie in ihrem Haus in der Glebe Point Street, das Rieke treu hütete und in Ordnung hielt. Sie hatte eine Stelle in einer Gärtnerei gefunden. Der Eigentümer, Martin Vollmer, war Deutscher und freundete sich bald mit Carl an. Mit ihm besuchte Carl regelmäßig den deutschen Club in der Innenstadt, auch Emilia schloss ein paar Freundschaften. Der Kontakt zu Antonie te Kloot brach nie ab, sie wurden enge Freundinnen, auch wenn Emilia es tunlichst vermied, mit Antonies Mann zusammenzutreffen. Am 1. Juli 1861 brachte Emilia eine weitere Tochter zur Welt. Sie waren gerade in Melbourne. Sie nannten sie Amalie Antonie und Frau te Kloot wurde Taufpatin.
    Anfang September 1862, sie waren unterwegs von Rangun nach Hongkong und Emilia war wieder einmal hochschwanger, zog schlechtes Wetter auf.
    »Wind von Nordosten«, sagte Carl besorgt. »Es scheint ein Sturmtief zu sein.«
    »Wie schlimm wird es?«, fragte Emilia sachlich. Sie hatte inzwischen schon einige Stürme mitgemacht, so schnell konnte sie nichts mehr schrecken. Allerdings spürte sie, dass die Geburt des Kindes bevorstand.
    »Es könnte sich zu einem Taifun entwickeln.« Carl wirkte sehr ernst, das kannte sie gar nicht von ihm.
    Emilia sicherte routiniert alle Sachen, die See schlug hoch, überkam das Schiff. Für die Kinder hatten sie inzwischen die Lotsenkammer ausgebaut. Die Stockbetten waren mit Netzen gesichert und hatten Riemen, an denen sich die beiden Mädchen festhalten konnten. Die vierjährige Minnie war verängstigt und weinte, Lily, sie war gerade fünf geworden, wäre am liebsten auf das Deck zu ihrem Vater gegangen. Sie liebte es, wenn ihr der Wind die Gischt ins Gesicht peitschte.
    Amalie Antonie, die sie Tony nannten, schlief noch in dem kleinen Bettchen in Emilias und Carls Kammer, in dem schon Lily geschlafen hatte. Das Körbchen für den nächsten Säugling stand bereit.
    Der Steward hatte eine Kabine mittschiffs bekommen, in seiner ehemaligen Kammer schlief nun Francis, ein Mulatte aus Indonesien, der die Rolle der Nanny übernommen hatte.
    »Francis, pass bloß auf, dass Lily nicht ausbüxt«, sagte Emilia und brachte Tony zu Bett, stopfte die Kissen und Decken fest um sie herum. Es regnete in Strömen, der Wind blies böig und heftig. Carl hatte die Segel einholen lassen, nur die Sturmsegel standen noch. Als es heftig blitzte und donnerte, kroch Emilia in ihre Koje, Tony schlief zum Glück tief und fest.
    »Mama«, rief Minnie weinend. »Mama, ich will zu dir.«
    Seufzend stand sie auf und holte das Kind zu sich. Die »Lessing« rollte im Sturm, hob sich, so dass Emilia fast glaubte, das Schiff würde hintenüberschlagen, dann senkte sich der Bug wieder und sie schossen in das Wellental. Lily saß in ihrem Bett und schaute fasziniert durch das Fensterchen nach draußen. Die grellen Blitze erinnerten Emilia an das Magnesium, das der Fotograf entzündet hatte, der Donner schien die »Lessing« bis in die Bilge zu erschüttern. Minnie zitterte vor Angst und auch Emilia fürchtete sich. Gegen Morgen flaute der Sturm ab. Sie hatten Wasser aufgenommen und mussten es abpumpen und lenzen. Die Kinder waren zum Glück irgendwann eingeschlafen, doch Emilia hatte kein Auge zugemacht. Sie schleppte sich an Deck, dieFaust ins Kreuz gepresst. Carl stand am Steuer und sah immer noch besorgt aus, die See war unnatürlich ruhig und es war windstill.
    »Es ist doch vorbei«, sagte sie.
    Carl schüttelte den Kopf. »Das ist ein mächtiger Taifun, eine riesige Windhose und wir sind im Auge des Sturms.«
    Emilia wurde bleich, ein Krampf schüttelte sie. Langsam ging sie nach vorn zur Kombüse. Piet, der Smutje, war der »Lessing« all die Jahre treu geblieben.
    »Ich brauche dich«, sagte Emilia leise. »Das Kind kommt.«
    Er sah sie prüfend an, nickte dann. »Der Boy soll mit den Kindern in die

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