Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
und musste nachdenken.«
Emilia holte tief Luft. »Über Rudolph?«, fragte sie dann fast tonlos.
»Woher weißt … wie kommst du darauf?«
Emilia lachte leise. »Ich war auch mal jung und verliebt.«
»Ich bin nicht verliebt«, sagte Minnie barsch. »Was für ein absurder Gedanke. Ich kenne ihn ja kaum.«
»Aber er schreibt dir und du ihm.«
»Kontrollierst du mich etwa?«
»Meine liebe, süße Minnie. Die Briefe von ihm sind ja nicht heimlich angekommen, und dass du zurückgeschrieben und deinen Brief zur Post gebracht hast, war auch kein Geheimnis, oder?«, sagte Emilia sanft.
»Ich mag ihn, er interessiert mich. Wir haben viele Gemeinsamkeiten.« Sie streckte das Kinn vor und stopfte die Fäuste in die Taschen.
»Das habe ich mir gedacht«, sagte Emilia freundlich. Sie hakte sich bei ihrer Tochter unter. »Sollen wir ein wenig spazieren gehen?«
Schweigend lief Minnie neben ihr her.
»Weißt du, als ich deinen Vater kennengelernt habe, da war es ähnlich. Er hat mich von Anfang an fasziniert. Wir haben uns viel geschrieben. Ich wohnte damals bei meiner Tante und meinem Onkel.«
»Das hast du schon oft erzählt«, seufzte Minnie.
»Ich weiß.« Emilia lächelte. »Was ich euch aber nie erzählt habe, war, dass meine Tante und mein Onkel mir den Kontakt zu deinem Vater verboten hatten.«
Minnie blieb abrupt stehen. »Wirklich? Warum das denn?«
»Sie waren der Meinung, dass er nicht der richtige Umgang für mich wäre.«
»Aber … Papa hat doch die ›Lessing‹ in der Werft deines Onkels bauen lassen, das hast du uns immer erzählt. Und du hast gesagt, dass ihr euch deshalb kennengelernt habt.«
»Das stimmt. Als Kunde war er gut genug. Als zukünftiger Ehemann jedoch nicht. Meine Tante wollte mich gut verheiraten, möglichst so, dass es für das Geschäft meines Onkels von Vorteil wäre. Mit dem Sohn eines Reeders zum Beispiel.«
»Gab es da denn Bewerber?« Minnie grinste. »Erzähl!«
»Ja, die gab es durchaus. Es gab einen jungen Mann, den ich auch sehr nett fand. Martin hieß er, wie mein Vater. Martin Amsinck«,sagte Emilia versonnen. »Es gab auch noch andere, ich war ja schließlich eine gute Partie.«
»Dein Leben in Hamburg war ganz anders als unser Leben hier, nicht wahr?«
»Meine Familie war sehr wohlhabend, das ist richtig. Es gab Personal, eine Mamsell, die für den Haushalt zuständig war, Zimmermädchen, Zofen, Knechte, Dienerschaft, Hauslehrer.« Emilia lachte. »Oh, wie aufwendig und umständlich das alles war.«
»Denkst du manchmal daran zurück?«
»Natürlich. Aber mehr noch an die Zeit in Othmarschen, auf unserem Gut. Dort habe ich mich immer wohler gefühlt als in Hamburg. Es gab zwar auch Personal, aber es war persönlicher und anheimelnder als in der Stadt.«
»Und warum sollte Papa nicht der passende Bewerber für dich sein?«
Emilia lachte leise. »Er hatte nicht genug Geld. Mit nur einem Schiff war er kein potentieller Geschäftspartner.«
»Es ging nur um Geld? Kannten sie Papa denn?«
»Er war öfter bei meiner Familie zu Gast. Aber es war schon zu merken, dass er anders war, nicht in die gehobene Gesellschaft passte. Er fühlte sich bei gesellschaftlichen Anlässen nicht wohl.«
»Warum hast du dich in ihn verliebt?«, wollte Minnie wissen.
»Ich mochte seine ernsthafte und nachdenkliche Art, mochte die klaren Vorstellungen, die er von seinem Leben hatte. Ich habe ihn bewundert, weil er nicht so geckenhaft und oberflächlich war wie die anderen jungen Männer.«
»So ist er ja immer noch«, kichert Minnie. »Ernsthaft.«
»Ich mag auch seine Art von Humor. Er lacht gerne, mag aber keine Schenkelklopfer.«
»Er war doch auf See, wie hast du das alles festgestellt?«
»Wir haben uns geschrieben. Viele, viele Briefe. Papa schreibt gerne.«
»Oh ja. Ich liebe seine Briefe, auch wenn er mich oft ermahnt, lieb zu dir zu sein.« Minnie drückte Emilias Arm. »Du hast also deineWahl nie bereut? Auch wenn es dir mit dem anderen Mann besser ergangen wäre?«
»Woher willst du wissen, dass es mir mit Martin besser ergangen wäre?«
»Weil er Geld hatte. Du hättest Personal gehabt und dich um nichts kümmern müssen.«
Emilia dachte nach. »So gesehen hast du recht. Aber das ist nicht alles im Leben. Ich fand es mit dem vielen Personal, all den Regeln, die man beachten, und all den Geboten, die man befolgen musste, zum Teil anstrengender. Oder anders anstrengend als unser Leben. Mit Martin hätte ich nie so viel erlebt wie mit eurem Papa. Andere Dinge
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