Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
vielleicht. Aber meine Erfahrungen möchte ich nicht missen.«
»Wenn du könntest, was hättest du gerne anders?«
Emilia seufzte. »Ein größeres Haus. In einer anderen Gegend vielleicht auch. Aber die großen Grundstücke liegen außerhalb – das hat auch Nachteile. Wir haben einen Garten, einen schönen Hof. Und wir sind schnell in der Stadt, haben die Geschäfte vor der Tür. Die Tramhaltestelle ist nicht weit und die Eisenbahnstation schnell erreicht. Mit der Bahn ist man rasch außerhalb der Stadt und die Bahnstrecke wird stetig erweitert.«
»Hauslehrer, Personal, Zimmermädchen«, sagte Minnie schwärmerisch. »Das hört sich aber traumhaft an. Nichts, was man selbst machen muss.«
Emilia lachte laut auf. »Es gibt auch unfähiges Personal, es gibt Bedienstete, die klauen und lügen. Es gibt welche, die unverschämt sind, frech und dreist. Man muss immer ein Auge auf sie haben. Und – bedenke – das Personal sieht und hört fast alles, was du tust, nichts bleibt privat, nicht einmal deine intime Wäsche. Es gibt natürlich auch anderes Personal, Menschen, die einem ans Herz wachsen und irgendwann fast zur Familie gehören.«
»So wie Rieke?«
»So wie Rieke und Darri. Obwohl uns natürlich die Mentalität und Kultur der Aborigines immer fremd bleiben werden.«
»Das stimmt«, sagte Minnie überrascht. »Aber du musst trotzdemimmer arbeiten. Darri ist zwar eine Hilfe, aber immer noch hast du viel zu tun.«
»Kind, das ist mein Leben. Ich liebe euch und ich liebe euren Vater. Ich will es gar nicht anders haben.«
»Kann man jemanden durch Briefe kennenlernen?«, fragte Minnie fast tonlos.
»Einen Teil seiner Persönlichkeit schon.« Emilia seufzte. »Du magst ihn wirklich gern, nicht wahr?«
»Ich glaube schon. Warum könnt ihr seinen Bruder nicht leiden?«
»Jean hat sich als unangenehmer Mensch erwiesen«, sagte Emilia knapp.
Minnie spürte, dass mehr hinter diesen Worten steckte, als ihre Mutter verraten wollte.
»Rudolph ist aber anders«, sagte sie eifrig.
»Bist du dir da sicher?«
»Nein«, gab Minnie zu und verzog das Gesicht. »Aber ich glaube, dass er anders ist. Ich mag ihn.«
Emilia seufzte. »Dann schreib ihm, versuch herauszufinden, wie er wirklich ist, was ihn beschäftigt, was er mag und was nicht. Manchmal sind es bestimmte Kleinigkeiten, die einen Menschen auszeichnen.«
Sie kehrten zurück in Richtung Haus. Von drinnen ertönten laut deutsche Weihnachtslieder und Emilia lief ein Schauer des Glücks über den Rücken.
»Hast du noch einmal etwas von dem Mann gehört? Von diesem Martin?«
»Martin Amsinck? Natürlich, er hat mir hin und wieder geschrieben, manchmal schickt er noch eine Weihnachtskarte. Seinen Werdegang und den seiner Brüder konnte ich in der Zeitung verfolgen. Sie sind äußerst erfolgreich.«
Bis Silvester blieben sie in Emu Heights, danach packten sie ihre Sachen und fuhren zum Coogee Beach. Dort hatte Carl einige Zimmer im Hotel gebucht.
Sprachlos stieg Emilia aus der Kutsche. »Carl«, sagte sie endlich und schlug die Hand vor den Mund. »Das können wir uns doch gar nicht leisten. Ein Hotel! Für uns alle.«
»Ich finde, wir sollten es uns leisten, mein Liebes. Du hast es verdient.«
»Aber … aber …«
»Kein Aber! Mein Bruder hat mir genügend Geld gegeben, damit ich die ›Centennial‹ bezahlen kann und meine letzte Fahrt mit der ›Lessing‹ hat auch ordentlichen Gewinn gebracht. Es sind nur vier Tage, die wir hier verbringen werden. Wir sollten sie genießen.« Er strahlte sie an.
Emilia schüttelte den Kopf, küsste ihn dann sacht. »Du mein lieber, großer Dummerjan. Danke!«
Es waren herrliche Tage am Strand. Die Bucht bog sich einige Kilometer U-förmig, weißer, weicher Sand bedeckte das flache Ufer. Das Wasser war von einem klaren Blau und einige Meter sehr flach. Sanfte Wellen liefen am Ufer aus.
Lina kreischte vor Vergnügen, wenn ihre Geschwister sie mit zum Wasser nahmen. Es gab Umkleidewagen und zwei Anleger, die in das tiefere Wasser führten.
»Schwimmt bloß nicht zu weit hinaus«, sagte Emilia besorgt. »Dort gibt es Haie.«
Carl hatte Liegestühle gemietet, die unter Sonnenschirmen aus Palmenwedeln standen.
Sie bekamen drei Mahlzeiten pro Tag im Hotel, die Zimmer wurden peinlich sauber gehalten. Es war der pure Luxus und Emilia genoss es sehr.
Alle waren ausgelassen und fröhlich, nur Minnie zog sich zurück.
»Sie wird doch nicht krank werden?«, fragte Carl bekümmert. »Sie war erst einmal
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