Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
schwimmen.«
»Minnie war noch nie eine Wasserratte«, meinte Emilia lächelnd. »Mach dir keine Sorgen.«
Minnie schrieb Briefe. Dafür brauchte sie viel Zeit, denn sie wollte ihre Worte mit Bedacht wählen. Sie hatte das Gefühl, dass es wichtigwar. Auch Rudolph schrieb fast täglich. Jeden seiner Briefe hütete sie wie einen Schatz.
Die Urlaubstage gingen viel zu schnell zu Ende und bald schon mussten sie ihre Sachen wieder einpacken und nach Glebe zurückfahren. Darri erwartete sie schon, so, als sei sie nie weg gewesen. Eine ihrer Verwandten war auch gekommen, um bei der großen Wäsche zu helfen. Das Waschwasser wurde im Hof erhitzt, die Kessel befüllt. Dann wurde eingeweicht, gerieben, geschlagen, gespült, gewrungen, durch die Walze gedreht und die Sachen schließlich aufgehängt. Es roch nach Soda und Seife, die Lauge wurde in den Abfluss gegossen und frisches Wasser aus dem Brunnen gepumpt. Hektisch und laut ging es zu, es war ein echtes Durcheinander. Emilia überwachte die Arbeiten genau.
Carl war froh, dass er dem Chaos entfliehen konnte, er hatte so einiges im Hafen und im Dock zu regeln.
Voller Elan kam er am Abend wieder zurück.
»Nächste Woche schon kann die ›Centennial‹ auslaufen. Ich habe Order erst nach Sumatra und dann nach Südafrika. Von dort nach Rangun und dann vielleicht nach Hongkong«, erzählte er erfreut.
»Wie lange wirst du unterwegs sein?«
»Vier Monate. Vielleicht mehr, wenn ich noch weitere Charter bekomme.«
»Steht denn die Mannschaft?«
»Ja, ich habe alle angeheuert. Die Männer sind ganz wild auf den nagelneuen Dampfer.«
Emilia nickte. Ihr bereitete die neue Technik Angst, auch wenn sie wusste, dass sie nicht darum herumkamen. Jetzt waren es nicht die Flauten oder die Stürme, die die Mannschaft bedrohten, auch wenn ein Dampfer ebenso wie ein Segler bei einem Taifun untergehen konnte, jetzt waren es die explodierenden Kessel oder technischen Fehler, die Carl in Lebensgefahr bringen konnten.
»Nächste Woche also schon?«, fragte sie leise.
»Ja, bis dahin ist noch viel zu tun.« Er nahm seine Geschäftsbücher und verzog sich an den Sekretär in der Stube.
Die nächsten Tage vergingen wie im Fluge. Die Kinder gingen wieder zur Schule, Tony hatte einen Ausbildungsplatz im Krankenhaus und Fred besuchte das College.
Auch Minnie ging wieder zur Arbeit. In der ersten Woche arbeitete sie im Kontor in der Innenstadt. Sie hoffte sehr, dass Rudolph dort auftauchen würde, aber er kam nicht. Auch hatte sie schon einige Tage keine Post mehr von ihm bekommen. Hatte sie irgendetwas geschrieben, was ihn verärgert oder verschreckt hatte? Sie konnte sich keinen Reim darauf machen.
Jeder Tag mehr, der verging, ohne dass ein Brief kam, ließ ihre Hoffnung sinken. Zu Hause saß sie lustlos herum, half nur beim Nötigsten.
Emilia beobachtete ihre Tochter voller Sorge. Am Sonntag schließlich, Carl war auf der Werft, beschloss sie, etwas zu unternehmen.
»Minnie, wir fahren zu Tante Hanna«, sagte sie beim Frühstück. »Mit Hannchen, May und Lina. Tante Hanna erwartet uns zum Mittagessen.«
Minnie wurde glühend rot. Sie wollte nicht zur Gärtnerei fahren, dort würde sie vermutlich auf Rudolph treffen, wobei sie sich nicht einmal sicher war, ob er die Arbeit dort auch tatsächlich angetreten hatte.
»Och, Mama«, sagte sie und verzog das Gesicht. »Kann nicht Tilda oder Lily mitfahren?«
»Tilda ist verabredet und Lily muss lernen. Sie hat im Herbst ihre Abschlussprüfungen.« Emilia hob den Kopf und schaute ihre Tochter resolut an. »Ich brauche deine Hilfe. Außerdem bist du doch immer gerne dort.«
»Mama! Ich will nicht!«
»Warum?«, fragte Emilia überrascht. »Hast du Ärger mit Onkel Martin? Hast du irgendetwas angestellt?«
»Mama!« Minnie stand auf und verließ den Raum, die Tür fiel krachend hinter ihr ins Schloss. Emilia verkniff sich ein Grinsen.
Eine Stunde später standen sie am Bahnhof und warteten auf den Zug. Minnie wirkte nervös. Ungeduldig herrschte sie ihre kleineSchwester an, die über den Bahnsteig hüpfte. Dann biss sie sich auf die Lippe, nahm das erschrockene Kind in den Arm.
»Ich habe es nicht so gemeint, Lina-Maus. Es tut mir leid.«
»Warum hast du so schlechte Laune? Hat Lily dich geärgert? Hat sie dir wieder einen Frosch ins Bett gelegt?«, fragte Lina.
Minnie lachte. »Nein, diesmal ist Lily ausnahmsweise nicht schuld.«
»Was ist es denn dann?«, wollte May wissen.
»Lasst eure Schwester in Ruhe«, ermahnte Emilia die
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