Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Januar ging und der Februar kam mit heftigen Regenfällen. Aber Rudolph war froh darüber, denn die Pflanzen wuchsen und gediehen.
Am späten Nachmittag des 18. Februar 1883, es war ein Sonntag, kam der Aborigine Dural nach Glebe.
»Ma’m, Ihr sollt nach Liverpool kommen«, sagte er.
»Das Kind?«, fragte Emilia.
Er nickte nur.
Hektisch packte Emilia eine Tasche zusammen. Minnie hatte sie gebeten, bei der Geburt dabei zu sein, und natürlich wollte sie ihrer Tochter diesen Wunsch erfüllen.
Lina ging gerade erst zur Schule. So wichtig den Lessings die Bildung war, ein paar Fehltage würde sie verkraften können. Das Kind war einfach noch zu jung, um allein bei ihren Schwestern zu bleiben.
»Hannah«, sagte Emilia eindringlich zu ihrer Tochter. »Du musst morgen May wecken und sie zur Schule bringen. Arora wird das Frühstück machen und auch abends Essen kochen. Ich habe es ihr eingeprägt. Aber du musst dich um May kümmern.«
»Ja, Mama. Ich mach das schon«, sagte Hannah und verdrehte die Augen. »Fahr du zu Minnie und kümmere dich um sie.«
»Wenn irgendetwas ist, gehst du zu Schmitz nebenan und bittest um Hilfe. Sie wissen Bescheid und haben ein Auge auf das Haus.«
»Och, Mama, was soll denn passieren? Wir sind doch schon groß«, seufzte Hannah.
Unruhig bestieg Emilia die Kutsche, die Fahrt dauerte ihr diesmal viel zu lange. Endlich erreichte sie die Farm. Rudolph hatte den Namen »Crefeld« inzwischen in den Findling eingeritzt und noch einmal mit Farbe nachgezogen, der weiße Schriftzug leuchtete ihr schon von weitem entgegen.
Rudolph kam die Einfahrt herunter, nahm das Pferd am Halfter.
»Seit wann?«, fragte Emilia knapp.
»Seit heute Mittag.« Er war bleich.
»Kümmere dich um die Sachen und um Lina.« Emilia nahm ihre Tasche und sprang von der Kutsche, eilte ins Haus. Minnie stand in der Küche, stützte sich auf den Tisch und keuchte. »Mama!«
»Jetzt bin ich ja da«, sagte Emilia und alle Unruhe fiel von ihr ab. »Wie oft hast du die Wehen? Ist die Fruchtblase schon geplatzt?«
Minnie schüttelte nur den Kopf und schnaufte verängstigt. »Ich werde sterben«, jammerte sie.
»Papperlapapp. Hier wird nicht gestorben, hier wird geboren.« Sie führte ihre Tochter ins Schlafzimmer und breitete Laken, die sie schon zurechtgelegt hatte, über dem Bett aus.
Minnie stand daneben, sah ihr hilflos zu. Dann krümmte sie sich zusammen und schrie vor Schmerz auf.
»Nun, nun«, sagte Emilia beruhigend. »Du musst tief einatmen. Ganz tief. Hol Luft, Minnie.«
Minnie keuchte. »Ich kann nicht.«
Emilia wartete ab, bis die Wehe vorbei war, dann half sie ihrer Tochter aufs Bett. »Sollen wir die Hebamme rufen?«
»Ich weiß nicht.«
Emilia tastete den Bauch ab, nickte dann. »Ich komme gleich wieder.«
»Geh nicht.«
»Ich komme wirklich gleich wieder«, sagte Emilia lächelnd.
In der Küche wartete Rudolph schon. Er rang die Hände. »Kann ich etwas tun?«
»Ja, geh und hol die Hebamme. Sie soll Minnie einmal untersuchen, schauen, ob das Kind richtig liegt. Es ist keine Eile vonnöten, es wird noch dauern.«
»Lange?«
Emilia lachte auf. »Ich fürchte schon. Aber sie wird es überstehen.« Dann sah sie sich um. »Wo ist Lina?«
»Darri ist heute Nacht zurückgekommen, sie sagt, sie hätte geträumt, dass sie gebraucht würde.« Er schnaubte. »Sie hat Lina mit zum Stall genommen.«
»Darri? Wunderbar. Weiß Minnie das schon?«
»Ich glaube nicht, ich wollte sie erst zum Teufel jagen, dieses Kommen und Gehen, wie es einem gefällt, ist furchtbar.«
»Es ist ihre Kultur«, sagte Emilia milde. »Schick Darri hinein. Ich weiß, sie kann Minnie beruhigen.«
Minnie hatte sich in ihr Kissen gekrallt, ihre Augen waren angstgeweitet, Schweiß stand auf ihrer Stirn. »Es tut so weh!«
»Du musst dich entspannen, musst loslassen.«
»Ich sterbe, es tut so weh!«
»Minnie, meine Süße, du wirst nicht sterben. Komm, lass das Kissen los. Leg dich auf die Seite und atme tief in deinen Bauch.« Sie legte ihr die Hände auf den geschwollenen Leib. »Hierhin musst du atmen.«
»Ich kann nicht.«
»Doch. Komm, versuch es.«
»Nein.«
»Minnie«, sagte Emilia sanft. »Du kannst dich mit aller Kraft dagegen wehren, aber dein Kind will auf die Welt kommen. Du machst es dir leichter, wenn du mitarbeitest. Glaub mir.«
Minnie nickte und versuchte, den Anweisungen ihrer Mutter zu folgen. Plötzlich öffnete sich die Tür, und Darri spähte ins Schlafzimmer. »Ma’m? Minnie?« Sie lächelte
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