Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
mehrfach tief Luft. Wieder glaubte sie, ein lautes Knacken gehört zu haben. Im Jahr zuvor war Müllers Jens in das dünne Eis eingebrochen und ertrunken. Wieder hob sie den Fuß, wollte zu Mats laufen.
»Emma! Schieben, du musst die Füße über das Eis schieben. Nicht laufen. Komm schon, du kannst das!« Mats war auf die zugefrorene Teichfläche getreten und kam ihr ganz langsam entgegen.
Emilia schnaufte, dann schob sie den Fuß vor, zog den anderen nach und wieder den ersten.
»So ist es gut, Vögelchen«, lobte Mats sie, doch seine Stimme klang immer noch angespannt.
Schnaufend erreichte sie ihn, er schloss sie in seine Arme.
»Lass uns gehen«, schluchzte Emilia auf und drückte sich an ihn. »Nach Hause. In die Küche.«
»Ganz ruhig«, erwiderte Mats. »Ich möchte, dass du hier vor mir noch zwei Runden fährst.«
»Warum?« Sie schaute ihn aus großen Augen an. »Ich will aber nicht mehr.«
»Hier ist es sicher, min Deern, nun lauf noch ein paar Schritte, sonst traust du dich morgen erst recht nicht mehr und das schöne Geschenk war umsonst.«
Unsicher lief sie eine kleine Runde um ihn herum, doch dann wurde sie wieder schneller. Diesmal achtete sie genau darauf, nicht zu weit zu fahren.
»So, und nun ist es gut. Es wird schon dunkel.« Mats grinste und stapfte ans Ufer. Emilia folgte ihm, er drehte sich um und hob sie hoch. »Du bist ein tapferes Fräulein. Ich bin stolz auf dich.«
»Trägst du mich nach Hause?« Sie schlug die Augen treuherzig auf und legte ihm die Arme um den Hals.
»Ich dachte, du bist schon groß?« Mats lachte. »Aber nur ausnahmsweise.«
Anna Bregartner saß im Salon und las, als Emilia hereinstürmte. Die Wangen des Mädchens glühten, ihre Augen blitzten.
Anna zog die Stirn kraus. »Hast du Fieber? Komm her, Liebes.«
»Nein! Ich war eislaufen. Es war so schön. Die Schlittschuhe sind viel besser als die von Mette und Levke.«
Anna lächelte. »Ach so.« Dann wurde sie wieder ernst und schaute nach draußen. Inzwischen war es dunkel und es hatte wieder zu schneien begonnen. »Du warst doch nicht allein an der Teufelsbek?«
»Mutter, natürlich nicht. Mats war mit mir am Pferdeteich.« Sie drückte sich an Anna. »Aber morgen gehe ich mit Mette, Kasper und Levke eislaufen. Ich muss ihnen doch meine neuen Schlittschuhe vorführen.«
»Wenn das Wetter es zulässt«, sagte Anna und zog ihre Tochter auf den Schoß.
»Mutter«, sagte Emilia nach einer Weile nachdenklich, »warum ist Dörte immer so gemein zu Sofie?«
Anna schob das Mädchen ein Stück von sich weg und schaute ihr ins Gesicht. »Sie ist gemein? Wie denn?«
»Na, Dörte ist zu allen gemein. Sie bestimmt in der Küche, sie schimpft mit Mats und Ole und sie schickt Sofie immer in die Remise. Dabei ist es dort doch so kalt und Sofie hustet schon.«
»Sofie hustet? Warum weiß ich das nicht? Und was bestimmt Dörte in der Küche?«
»Na, Dörte bestimmt, was gekocht wird. Sie kocht auch und es schmeckt ja wirklich gut, aber Inken muss immer alles machen. Die Kartoffeln schälen und das Gemüse putzen und so. Dann muss Inken sich ja auch noch um Julius kümmern und saubermachen. Sie ist schon ganz grau und sieht immer müde aus.« Emilia beugte sich vor und flüsterte dann: »Sie teilt ja mit Dörte die Kammer und Dörte schnarcht.« Emilia nickte ernsthaft.
»Ach, ich habe mich viel zu lange nicht wirklich gekümmert.« Anna seufzte, dann straffte sie ihre Schultern entschlossen. »So geht es aber nicht.« Sie seufzte. »Musst du nicht noch Latein lernen?«
Emilia zog eine Schnute. »Aber es ist doch Weihnachten, Mutter. Und Schule habe ich auch nicht, warum muss ich dann immer dieses doofe Latein lernen?«
»Weil es wichtig ist, Kind.« Sie nahm das Mädchen noch einmal in ihre Arme und drückte sie. »Aber du hast recht, es ist Weihnachten. Magst du ein wenig spielen? Ich muss in die Küche und nach Julius sehen.«
Mit den Puppen spielen, das ließ sich Emilia nicht zweimal sagen. In einer Ecke des Zimmers stand der Korb mit ihren Spielsachen. Unter dem Weihnachtsbaum, der in der anderen Ecke des Salons stand, hatte sie außer den Schlittschuhen noch ein kleines Schaukelpferd für die Puppenkinder gefunden, außerdem Stoff für neue Kleider, die Mutter mit ihr nähen wollte.
Ole kam, zündete weitere Lampen an und legte Holz nach.
Nach einer Weile betrat ihr Vater den Salon, nahm die Zeitung und setzte sich in einen der Sessel, die vor dem Kamin standen. Obwohl es ein Feiertag war, hatten Martin
Weitere Kostenlose Bücher