Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
zusammenwachsen, aber nicht auf Kosten meiner Leute.«
»Was willst du damit sagen?«, herrschte Hinrich ihn an. »Willst du meiner Frau etwas vorwerfen? Dann tue es laut und deutlich.«
»Mein lieber Schwager«, sagte Anna sanft. »Ich kann nachfühlen, dass eure Nerven blank liegen. Ihr seid in einer schwierigen Situation. Aber deshalb müssen wir doch nicht streiten.« Sie schob ihren Teller beiseite, obwohl sie noch nicht aufgegessen hatte. »Deine liebe Frau hat dankenswerterweise den Haushalt übernommen, als ihr hierhergezogen seid und ich es nicht konnte. Das war eine großartige Hilfe und wir sind alle sehr froh, dass sie es übernommen und so gut gemeistert hat.« Sie lächelte. »Es ist nicht einfach, unterschiedliche Familien unter einen Hut zu bekommen, und die Dienerschaft gehört nun einmal zur Familie, nicht wahr?«
Sie blickte ihn offen an. Hinrich zuckte zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Was willst du mir damit sagen, Schwägerin?« Noch immer klang er feindselig.
Emilia zog den Kopf ein und machte sich so klein wie möglich.
»Ich wollte deine Frau loben, Hinrich«, sagte Anna beschwichtigend. »Und ich will unser Handeln erklären. Wir mussten alle zusammenrücken, als ihr so plötzlich hierherkamt. Es war nicht euerWunsch, doch die Katastrophe, der Brand, machte es unumgänglich.«
»Dies ist mein Elternhaus, liebe Anna«, sagte Hinrich bissig.
»Aber auch meines, lieber Hinrich«, fügte Martin hinzu. »Du wolltest es damals nicht. Hast dich auszahlen lassen, um in Hamburg zu bauen.«
»Wir hatten den Bauplatz. Auch du hättest dort ein Haus errichten können«, fauchte Hinrich. »Du kannst es noch immer. Es ist jetzt genügend Bauland vorhanden. Uns gehören drei Parzellen. Warum baust du nicht in der Stadt?«
»Darum geht es doch gar nicht, Hinrich«, sagte Anna. »Wir fühlen uns wohl hier, leben gerne auf dem Land. Dies ist unser Zuhause. Und ja, es ist auch dein Elternhaus und ihr werdet immer einen Platz in diesem Haus haben. Aber …«, sie stockte, lächelte. »Aber es ist unser Haushalt. Und wir entscheiden, wo unsere Dienerschaft wohnt.« Ihre Stimme klang nun energischer und nicht mehr so freundlich. »Sofie gehörte schon zu diesem Haushalt, als du noch kurze Hosen trugst, Hinrich. Sie gehört zur Familie. Sie ist alt, aber sie ist nicht unnütz. Und selbst wenn? Könntest du deine Mutter einfach so in die Remise abschieben? Dort ist es kalt und zugig.«
»Wie kannst du Sofie mit meiner Mutter, Gott habe sie selig, vergleichen? Wie kannst du das wagen?«, ereiferte Hinrich sich.
Anna blieb ruhig. »Meine Mutter, Gott habe sie selig, ist schon lange von uns gegangen. Desgleichen eure Mutter. Sofie war immer für mich da, hat mich in den Haushalt eingeführt, hat Emma aufgezogen, wie eine Muhme es tut. Sie hat Kenntnisse in der Kräuterkunde und weiß für alles einen Rat. Sofie hat natürlich nicht den Stand deiner Mutter oder auch meiner Mutter, aber sie ist ein Teil dieser Familie. Sie hat auch deine Wunden versorgt, wenn du dir als kleiner Junge die Knie aufgeschlagen hast, oder etwa nicht? Bei Martin hat sie das jedenfalls getan.«
Hinrich senkte beschämt den Kopf. Dann sah er sie wieder an. »Trotzdem übergeht ihr die Weisungen meiner Frau«, sagte er trotzig.
»Die Weisungen deiner Frau.« Martin ließ die Worte in seinemMund zergehen wie ein Stück Eis. »In unserem Haushalt, Bruder?« Er zog die Augenbrauen hoch.
»Es ist unser Elternhaus. Ich bin mit dir hier groß geworden und aufgewachsen, Martin.«
»Und du hast dich auszahlen lassen, als Vater starb.«
»In Gottes Namen, ja!«, fauchte Hinrich. »Das ist dennoch kein Grund, dass ihr die Autorität meiner Frau untergrabt. Was sollen denn jetzt unsere Dienstboten von uns denken?«
»Ich frag mich die ganze Zeit, was denn unsere Dienstboten von uns denken, dass wir es so weit haben kommen lassen«, sagte Anna leise. Dann richtete sie sich auf. »Hinrich, ihr seid hier immer willkommen. Dies ist euer Zuhause, wie es unseres ist. Und umgekehrt wäre es sicher genauso. Wir sind eine Familie.«
»Ach?« Hinrich sah sie skeptisch an.
»Natürlich sind wir eine Familie. Und wir schätzen und lieben euch.« Anna stand auf, ging zu ihrem Schwager und sah ihm fest in die Augen. »Ich bin sehr froh, dass Wilhelmina in der Zeit, in der ich hinfällig und schwach war, alles geregelt hat. Aber nun bin ich wieder auf den Beinen und kann für meinen Haushalt selbst sorgen. Das entlastet sie auch,
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