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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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und Hinrich lange zusammen imKontor gesessen und waren die Zahlen durchgegangen. Jetzt aber wollte er seinen Feierabend genießen. Emilia schien er nicht bemerkt zu haben. Auch Anna, die kurz nach ihm in die Stube zurückkehrte, beachtete das Mädchen nicht. Anna trug Julius im Arm, der fröhlich brabbelte.
    »Martin«, sagte Anna ernst, »wir müssen miteinander reden.«
    »Ist etwas mit dem Kind?«, fragte er erschrocken.
    »Julius geht es gut, das sieht man doch.« Sie lächelte, dann sah sie ihren Mann an. »Wo ist Hinrich?«
    »Er ist oben bei Minna. Er macht sich große Sorgen um sie. Er fürchtet, dass sie schwermütig wird.«
    »Ach? Den Eindruck macht sie mir nicht.« Anna holte tief Luft. »Martin, es geht so nicht weiter. Ich weiß, ich war lange schwach und bettlägerig, in der Zeit hat Wilhelmina hier das Ruder in die Hand genommen …«
    »Darüber können wir sehr froh sein, nicht wahr?«
    »So dachte ich auch, bis mir heute auffiel, was Minna alles verändert hat.« Sie schnaufte. »Wusstest du, dass Sofie in der Remise schlafen muss? In einer Kammer auf dem Heuboden? Dass Inken sich das Zimmer mit Dörte teilt? Dass Inge nur die Zimmer von deinem Bruder und seiner Frau putzt, Inken alle anderen Räume allein saubermachen muss? Gregor hilft nicht im Stall, er ist ständig unterwegs und erledigt Aufträge für deinen Bruder. Inken darf nicht mehr kochen, das macht Dörte, aber Dörte spült nicht, sie schält auch keine Kartoffeln.« Anna lehnte sich zurück. »Wusstest du das alles?«
    »Nun ja.« Martin räusperte sich.
    »Du wusstest es, Martin?« Anna klang entsetzt. »Warum hast du mir nichts davon erzählt?«
    »Du warst kränklich. Wir hatten Sorge um dich, wollten dich nicht belasten. Und am Anfang schien es mir, als ob Minna frischen Wind in den Haushalt bringt. Niemand hat sich bei mir beschwert. Ich wusste allerdings nicht, dass Sofie in der Remise schlafen muss. Das geht nicht, dort holt sie sich den Tod, vor allem bei dem Wetter.« Besorgt sah er nach draußen. Es schneite immer heftiger.
    »Warum hast du mir nichts davon erzählt, Martin?«, fragte Anna wieder.
    »Du weißt doch, wie Minna ist. Sie will immer alles bestimmen. Sie meint das gar nicht böse. Vermutlich weiß sie gar nicht, was ihre Dienerschaft so treibt.« Martin schüttelte den Kopf. »Aber wir werden das ändern.«
    »Wie?« Die Frage fiel wie ein Stein in einen Brunnen.
    Martin schwieg.
    »Wie werden wir das ändern?«, fragte Anna erneut. Ihre Stimme klang scharf. Julius begann zu weinen.
    »Jetzt hast du das Kind verängstigt!«, sagte Martin ärgerlich. »Können wir das nicht später besprechen?«
    »Gib ihn mir.« Emilia trat zu den Eltern. »Ich bring ihn zu Inken.«
    Entgeistert sahen die Eltern ihre Tochter an. »Wo kommst du denn her?«
    »Ich habe mit den Puppen gespielt.« Emilia lächelte und griff nach ihrem Bruder. »Hallo, Julius. Sollen wir in die Küche gehen?«
    Anna schüttelte den Kopf und stand auf. »Er hat Hunger. Ich gehe mit ihm nach oben. Danke, Emma, für dein freundliches Angebot.«

5. K APITEL
    Am nächsten Morgen, in aller Herrgottsfrühe, noch bevor sich die Familie aufmachte, um zum Gottesdienst zu fahren, fingen Mats und Ole an, die beiden anderen Kammern in der Mansarde herzurichten. Inken und Inge fegten und wischten die Räume. Die Fenster wurden mit Bast und Kitt abgedichtet, Kohlepfannen herbeigeschafft. Die Männer brachten Bettgestelle und Kästen nach oben.
    Als die Familie vom Gottesdienst nach Hause kam, hatten Inken und Sofie bereits ihre eigenen Zimmer in der Mansarde.
    Beim Essen war es ungewohnt still am Tisch. Hinrichs Miene war verächtlich verzogen. Er stocherte im Essen, schob dann seinen Stuhl zurück.
    »Findest du dein Gebaren richtig, Bruder?«, fragte er eisig.
    »Bitte?« Martin legte Messer und Gabel zur Seite und wischte sich den Mund mit der Serviette ab.
    »Du bringst deine Dienstleute in der Mansarde unter, im Haupthaus. Du willst die Ordnung in der Küche verändern. Du übergehst bei all diesen Dingen meine Frau und untergräbst so ihre Kompetenz unserer Dienerschaft gegenüber. Wilhelmina geht es schon schlecht genug«, sagte er mit Grabesstimme, »jetzt weint sie sich die Augen aus.«
    »Und daran willst du mir die Schuld geben? Dies ist mein Haushalt, ich habe mich um meine Dienerschaft zu kümmern und für sie zu sorgen. Das habe ich viel zu lange vernachlässigt. Wir müssen alle hier zusammenrücken und wohl auch für das nächste Jahr

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