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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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geblieben war. Die Tränen liefen ihr über das Gesicht.
    »Mein Vater ist vor drei Jahren gestorben.« Rudolph runzelte die Stirn.
    »Ach, Rudolph, darüber haben wir doch schon so oft gesprochen. Glaubst du wirklich, dass dir noch mehr Erbe zusteht?« Minnie schloss die Augen. »Und selbst wenn, wie willst du das von hier aus einfordern? Briefe hast du zur Genüge geschrieben.«
    »Jean hat Geld bekommen. Er hat auch von meinem Onkel, der kinderlos starb, etwas geerbt.«
    »Dein Bruder Jean ist vor vier Jahren gestorben. Er hat dich nicht als Erben bedacht.«
    »Das weiß ich«, brüllte Rudolph. »Und wie ich das weiß. Meinst du, ich mache mir keine Gedanken um unsere Zukunft und die unserer Kinder? Ich denke Tag und Nacht an nichts anderes. Man hat mich betrogen, von Anfang an bin ich betrogen worden.«
    »Wie meinst du das?«, fragte Minnie fassungslos.
    »Ich war neu hier, ich kannte das Land noch nicht so gut, wie ich es jetzt kenne. Man hat mir minderwertigen Grund verkauft. Hier gibt es nur eine dünne Schicht fruchtbarer Erde, darunter ist es steinig und viel zu trocken. Das Problem ist, dass wir den Hügel gekauft haben. Felsen. Die ganze fruchtbare Erde verteilt sich um den Fluss, dort ist auch Grundwasser. Erinnerst du dich daran, wie tief wir für den Brunnen bohren mussten? Erinnerst du dich daran?«, schrie er.
    Minnie schwieg betroffen. Seit fast sieben Jahren waren sie jetzt verheiratet und bisher hatte Rudolph immer gesagt, dass das Land gut sei und sie bald Gewinn machen würden. Tatsächlich war die Erde am Farmhaus sehr fruchtbar, aber je weiter man den Hügel hochkam, umso trockener und sandiger wurde es. Mit einem Mal wurde ihr bewusst, dass Rudolph dies schon lange wusste, er sie aber hatte schützen wollen und deshalb seine Sorgen, die ihn immer schweigsamer gemacht hatten, nicht mit ihr geteilt hatte.
    Er kam auf sie zu, schüttelte den Kopf und nahm sie in die Arme. »Es tut mir leid, es tut mir leid, es tut mir leid«, murmelte er in ihre Haare. »Ich wollte dich nicht anbrüllen.«
    »Warum hast du nicht mit mir darüber gesprochen?«
    »Du warst entweder schwanger oder im Wochenbett oder musstest dich um die stetig wachsende Familie kümmern. Du hast vier Kinder in sechs Jahren bekommen. Das ist mehr, als ich jemals leisten kann. Du erträgst dein hartes Leben geduldig und immer mit einem Lächeln auf den Lippen. Klaglos. Ich wollte dir nicht noch mehr aufbürden.«
    »Aber wir sind ein Ehepaar, Rudolph. Wir teilen Freud und Leid, zumindest sollten wir das.«
    »Das weiß ich. Dein Vater hat mir jedoch sehr deutlich gemacht, dass er genau darauf achtet, ob ich euch alle ernähren kann.« Er ließdie Arme sinken, stand mit gebeugten Schultern vor ihr. »Und so, wie es aussieht, kann ich es nicht.«
    »Wenn es nach Papa ginge, müssten wir alle reich heiraten. Reiche, nette Männer.« Minnie verzog das Gesicht. »Dabei ging es uns oft selbst finanziell nicht gut. Immer dann, wenn Papa keine gute Order bekommen hat, musste Mutter den Gürtel enger schnallen. Manchmal gab es wochenlang Kartoffeln. Gekocht, gebraten, als Auflauf, gerieben. Papa will verhindern, dass es uns mit unseren Ehemännern auch so ergeht.«
    »Nun, es ist ihm nicht gelungen.« Rudolph setzte sich auf einen Stein und knetete verzweifelt seine Hände. »Uns geht es noch schlechter als deinen Eltern früher.«
    »Aber nur, solange die Kartoffeln noch nicht reif sind.« Minnie lächelte schwach, hockte sich neben ihn und nahm seine Hände. »Was machen wir nun?«
    »Meine letzte Hoffnung ist das Erbe von meinem Vater und meinem Onkel. Ich muss es nur einfordern.«
    »Dazu musst du nach Europa.«
    »Ja, dazu muss ich nach Europa und dich und die Kinder allein lassen. Und das kann ich nicht.«
    »Wenn du nicht fährst, was passiert dann?«, fragte Minnie und war plötzlich ganz ruhig.
    »Dann verlieren wir die Farm.«
    »Du musst fahren. Du musst. Sonst würdest du dir immer vorwerfen, die letzte Chance verschenkt zu haben.« Sie überlegte. »Aber lohnt es sich überhaupt, ›Crefeld‹ zu halten?«
    »Schau dich um, Minnie, schau dich um. Trotz Dürre und schlechter Böden hätten wir dieses Jahr eine sensationelle Ernte gehabt. Die Weinstöcke waren voller Trauben. Und die Früchte sind süß und saftig, wenn sie reif sind. Wir könnten hervorragenden Wein keltern, wir müssen nur einmal Glück haben. Die Ernte ist vernichtet, die Weinstöcke aber nicht. Nächstes Jahr könnte es ganz anders aussehen.«
    »Wir brauchen

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