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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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schüttelte den Kopf. »Nein danke«, sagte sie artig.
    Inken setzte sich neben sie. »Was ist denn los mit dir? Hast du dich mit Mette gestritten?«
    »Nein.«
    »Oder mit Levke?«
    »Nein.«
    »Ach, Emma, etwas bedrückt dich doch. Nun sag mir, was es ist.«
    Emilia schaute sie an und biss sich auf die Lippen. »Es ist nichts«, flüsterte sie.
    »Das glaube ich nicht. Vertraust du mir denn nicht mehr?«
    »Doch, Inken.« Tränen stiegen ihr in die Augen.
    »Aber?«
    »Ich bin schuld«, wisperte das Mädchen und senkte den Kopf.
    »Schuld? Woran?«
    »An Sofies Tod.«
    »Du?« Inken schüttelte verwundert den Kopf. »Wie kommst du denn auf diese dumme Idee?«
    »Ich habe lange darüber nachgedacht, aber ich muss schuld sein. Es fing mit dem Brand an, im Mai, als Julius geboren wurde.«
    »Ja?«
    »Ich wusste genau, dass ich alles richtig machen musste, damit es gut ausgeht. Aber ich habe es nicht geschafft. Ich habe meine Haube verloren und … und mein Kleid zerrissen, dann habe ich mir das Knie aufgeschlagen, weil ich … ich gerannt bin und nicht gegangen, so, wie Mutter es immer verlangt. Ich wollte alles gut machen, aber ich habe es nicht geschafft«, schluchzte sie.
    »Also ich finde, du hast dich an jenem Tag recht wacker gehalten.«
    Emilia kaute auf ihrer Unterlippe. »Weißt du, ich habe gebetet an diesem Tag, ich habe gebetet zum lieben Gott, er möge machen, dass alles gut wird. Ich würde mich auch ganz besonders anstrengen, ein liebes Kind zu sein und alles richtig zu machen, aber das ist mir nicht gelungen.«
    »Täubchen, mit dem lieben Gott kann man doch nicht handeln. Auch wenn wir es immer wieder möchten. Aber nichts, was du gemacht hast, hat etwas mit dem Brand zu tun.«
    »Wenn ich aufmerksamer und vorsichtiger gewesen wäre, dann hätte Mutter vielleicht eine leichtere Geburt gehabt und Sofie würde noch leben.«
    »Kindchen, was denkst du denn da? Was hat denn die Geburt von Julius mit Sofie zu tun?«
    »Wenn Mutter nicht so lange so schwach gewesen wäre, hätte sie nie zugelassen, dass Sofie in der Remise schlafen musste. Dann wäre Sofie nicht krank geworden und wäre nicht gestorben«, schluchzte Emilia.
    »Aber du kannst doch nichts dafür, dass deine Mutter nach der Geburt deines Bruders so schwach war.« Inken zog das Mädchen an sich, drückte und wiegte sie.
    »Aber wenn ich doch …«
    »Nein, Emma, nein. Einen solchen Handel mit dem Schicksal oder dem lieben Gott gibt es nicht. Du bist an nichts schuld, an gar nichts. Glaube das bloß nicht. Sofie war schon alt, es war nur eine Frage der Zeit, wann sie stirbt.«
    »Wirklich? Es ist nicht meine Schuld?« Emilia putzte sich die Nase.
    »Nun wirklich nicht, du Dummchen. Hast du dir darüber so viele Sorgen gemacht?«
    »Ja.« Emilia senkte wieder den Kopf. »Und dann die Geräusche.«
    Inken zog die Augenbrauen hoch.
    »Nachts, weißt du?«, flüsterte das Kind. »Hörst du das nicht auch? Als ob Sofie aus ihrem Zimmer ruft. Und es knarrt immer, als würde dort jemand laufen.«
    »Das ist doch nur der Wind, den höre ich auch. Aber keine Stimmen.« Inken dachte nach. »Weißt du was? Heute Abend gehen wir gemeinsam in Sofies Kammer und schauen, ob dort jemand ist.«
    Inken hielt ihr Versprechen. Es war sehr spät, das Mädchen hatte schon eine ganze Weile in ihrem Bett gelegen und gelauscht, als sie wieder Schritte hörte. Die Dielen knarrten, jemand stand vor ihrer Tür. Emilia zog sich die Decke über den Kopf und drückte sich an die Wand. Die Tür wurde geöffnet.
    »Täubchen? Bist du noch wach?«, wisperte Inken.
    Emilia linste vorsichtig unter der Decke hervor.
    Inken kam zu ihr und setzte sich auf das Bett. »Und? Hast du Stimmen gehört?«
    »Nein, noch nicht.«
    »Komm, wir gehen nachschauen.«
    Das Mädchen presste die Lippen aufeinander. »Und wenn dort ein Geist ist?«
    »Ich bin doch bei dir.«
    Langsam stand Emilia auf, zog sich ihre dicken Wollstrümpfe an und tapste hinter der Magd her. Im Flur war es bitterkalt, Emilia zog fröstelnd die Schultern hoch. Oder war es die Angst, die sie zittern ließ? Inken nahm ihre Hand, hielt die Lampe hoch. Das Licht flackerte, die Schatten an den Wänden und in den Ecken wichen zurück.
    »Hier ist niemand, siehst du?«, sagte Inken mit fester Stimme. Dann zog sie Emilia zur Tür der kleinen Kammer, lauschend blieben die beiden davor stehen. Eine Windböe traf das Haus, es schien zu schwanken. Oder war das nur das Licht der Lampe?, fragte sich Emilia, die sich fürchtete. Doch

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