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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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langsam auf und öffnete das Fenster. Die feuchte und kalte Luft traf sie wie eine nasse Wand. Sie schauderte und kroch zurück ins Bett, ihre Zähne klapperten und ihr war plötzlich bitterkalt. Die Hündin sprang auf das Bett und drückte sich an sie, als würde sie spüren, wie es Emilia ging.
    »Heißer Tee! Und eine Wärmflasche!« Wie ein Feldwebel stürmte Tante Minna ins Zimmer. »Kind, was hast du bloß gemacht? Schon gestern dachte ich, dass du unwohl aussiehst. Du wirst doch wohl nicht ernsthaft krank werden? Und welcher Dummkopf hat bei dem scheußlichen Wetter das Fenster aufgerissen?« Mit einem Knall schlug sie es zu und schob den Riegel vor. Dann drehte sie sich zu ihrer Nichte um. »Hast du Fieber?«
    »Ich fürchte ja«, stöhnte Emilia leise.
    »Was macht die Töle da auf deinem Bett? Los, runter mit dir! Jule, bring den Hund nach unten, lass Tee und eine Wärmflasche machen. Frag die Mamsell, ob sie etwas gegen das Fieber dahat.«
    Tante Minna blieb in einigem Abstand zum Bett stehen und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Ich hoffe, du kommst bis zum Wochenende wieder auf die Beine. Du musst mit zum Opernball.«
    »Ja, Tante.« Emilia schloss die Augen. Um sie herum drehte sich alles.
    »Jule und die Mamsell werden sich um dich kümmern.« Krachend fiel die Tür hinter ihr ins Schloss und Emilia zuckte erschrocken zusammen. Karamell war tatsächlich verschwunden, stellte sie bedauernd fest. Dabei hätte sie die Wärme und den liebevollen Trost des Hundes gerade jetzt gut gebrauchen können.
    »Was ist denn hier los?«, sagte die Mamsell, als sie das Zimmer betrat. »Ich hörte, Ihr seid …«, dann stockte sie, eilte zum Bett und legte ihre kühle Hand auf Emilias Stirn. »Bei Gott, Ihr glüht ja. Jule, hol Tücher und warmes Wasser. Wir müssen Wadenwickel machen.«
    »Wadenwickel? Wäre es nicht doch besser …«
    Die Mamsell richtete sich auf. »Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?«
    »Natürlich.« Jule stürzte aus dem Raum.
    Die Mamsell setzte sich aufs Bett und strich Emilia über die Wangen. »Tut Euch etwas weh?«
    »Alles, einfach alles«, schniefte Emilia.
    »Der Bauch?« Die Mamsell klang besorgt.
    »Nein, eher der Kopf und alle Gelenke und meine Knochen …«
    »Gut«, sagte die Mamsell. »Das deutet auf ein Fieber hin.«
    »Gut?« Emilia öffnete die Augen. »Ich fühle mich gar nicht gut.«
    »Das weiß ich. Aber ein Fieber bekommen wir in den Griff.«
    Jule kam mit dem Wasser und den Tüchern.
    »Du kannst jetzt Wadenwickel machen, ich werde einen Tee kochen«, sagte die Mamsell und stand auf. Sie ging zum Waschtisch hinüber und tauchte einen Lappen in den Krug mit dem inzwischen erkalteten Wasser, wrang ihn aus und legte ihn Emilia auf die Stirn.
    Das tut so gut, dachte Emilia, schrak dann aber auf, als Jule die Decke hob und ihr die feuchtwarmen Wickel um die Waden legte.Doch nach dem ersten Schrecken half es ihr. Emilia schloss die Augen und sank in einen unruhigen Schlaf.
    Sie träumte von Meeresgetier, hohen Wellen, von unmelodiösen Rufen und von kreischenden Vögeln. Dann wurde sie wach, als jemand ihr einen bitteren Trank einflößen wollte.
    »Ihr müsst das trinken«, sagte Jule, sie klang ungeduldig. Emilia versuchte sich aufzusetzen, aber sie fühlte sich zu schwach. »Nun trinkt schon!«, sagte Jule. »Sakrament noch mal!«
    Emilia trank den Aufguss, verschluckte sich und hustete.
    »Nicht spucken, bloß nicht spucken!« Die Magd trat einen Schritt zurück vom Bett und verzog das Gesicht. »Oh Gott, ich möchte nicht krank werden«, murmelte sie verzweifelt.
    Emilia rieb sich über das Gesicht. »Was?«
    »Nichts, gnädiges Fräulein, gar nichts. Ich möchte bloß nicht auch erkranken«, sagte Jule leise. »Und man hört, dass die Ausscheidungen anderer einen krank machen können. Dort steht die Schüssel, wenn Euch schlecht wird. Spuckt dort hinein.«
    »Du hast Angst vor mir?«, fragte Emilia verblüfft.
    Jule schluckte. »Nein«, sagte sie zögernd, »doch«, gestand sie dann ein. »Ich habe Angst, auch krank zu werden.«
    »Das verstehe ich.« Emilia fühlte sich sehr schwach, aber nicht mehr so krank. »Gib mir den Becher. Ist das ein Aufguss, den ich trinken soll?«
    »Mamsell hat ihn gebraut.« Zögernd trat das Dienstmädchen vor und reichte ihr mit steifem Arm den Becher.
    Emilia trank, obwohl ihr der bittere Tee den Gaumen zusammenzog. Sie kniff die Augen zusammen und schluckte tapfer. »Wenn die Mamsell ein wenig Zeit hat, soll sie zu mir

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