Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
mehr so. Die machte eine Wuling um sich, das war kaum zum Aushalten. Die musste ich auch immer ausziehen, waschen und wieder anziehen. Das kann ich, da habe ich Übung.«
Das Mädchen redete und redete. Dabei half sie Emilia auf, gab ihr Lappen und Seife, wusch den Lappen aus, gab ihn ihr erneut, reichte ihr das Handtuch und das saubere Nachtkleid. »Nun kommt, hopp, hopp! Ich fass Euch unter den Achseln und dann könnt Ihr aufstehen und dann zum Stuhl. Die Suppe ist dringeblieben, jetzt gibt es den Wein. Während Ihr den trinkt, mach ich das Bett. Das ist ja ganz zerwühlt, wer will denn darin pofen?«
Sie half Emilia auf den Stuhl, gab ihr das Weinglas und zog behände das Bett ab und die frische Wäsche auf. Dann führte sie Emilia zurück und schüttelte die Kissen aus. »Und jetzt die Eier, die sind ganz weich noch und hoffentlich warm. Die Mamsell hat sie extra in das Wolltuch gewickelt. Frische Eier geben Kraft.«
Während Emilia aß, räumte Rieke auf, öffnete das Fenster, legte aber auch Holz nach. »Zu kalt darf es nicht werden, dann habt ihr den Tod im Nacken und auf der Brust. Ist meinem Onkel so passiert.« Sie nahm das Waschwasser und schüttete es in den Eimer. »Ich bring das in die Küche und kiek mal, ob es nicht noch eine Leckerei dort gibt. Für Euch und für diese Dame.« Sie zwinkerte Karamell zu.
Das Mädchen, so jung es auch war, arbeitete sorgfältig und schnell. Dass sie dabei die ganze Zeit redete, fand Emilia amüsant. Rieke hatte ein Auge dafür, wann sie was zu tun hatte, machte kein großes Aufheben davon, sondern packte an. Sie scheute sich auch nicht davor, immer wieder die Treppen bis in die Küche und zurück nach oben zu laufen, sie beschwerte sich nie.
Emilia erholte sich, doch ein kratzender und hartnäckiger Husten blieb. Auch war sie immer noch sehr geschwächt, obwohl das Fieber schon längst vorbei war.
»Ich werde den Arzt rufen lassen«, entschied Tante Wilhelmina. »Dein Husten wird und wird nicht besser. Hat dir die Mamsell Brustwickel gemacht?«
»Ja, Tante. Jeden Morgen und jeden Abend.«
»Bevor du nicht genesen bist, kannst du nicht wieder am gesellschaftlichen Leben teilnehmen. Schon drei Wochen dauert das jetzt. Doktor Schneider wird sich deiner annehmen.« Sie seufzte und ging.
Bald war Weihnachten und allerorts wurden Feste gefeiert. Emilia hatte viele Einladungen erhalten, die sie bedauernd ablehnen musste. Erst seit letzter Woche schaffte sie es, die Treppen nach unten zu steigen. Oft saß sie, in ein warmes Tuch gehüllt, in der Bibliothek am Kamin und las, den Hund immer zu ihren Füßen.
»Ach, Kara«, seufzte sie. »Zu gerne würde ich mit dir spazieren gehen.«Doch der Winter in Hamburg war nebelig, kalt und feucht. Über der Stadt lag der rußige Qualm der vielen Kamine.
Gegen Abend kam Tante Minna zu ihr. »Doktor Schneider ist da, Emma.«
Emilia schoss die Röte in die Wangen. Es war ihr peinlich, einen Arzt konsultieren zu müssen.
Die Tante sah sie streng an. »Du wirst dich doch wohl nicht genieren? Ich bleibe ja im Raum.«
Emilia nickte nur.
»Liebes Fräulein Bregartner«, begrüßte Doktor Schneider sie. »Wir alle machen uns große Sorgen um Sie. Zu lange schon seid Ihr allen gesellschaftlichen Ereignissen ferngeblieben.«
»Es war nur ein Fieber, eine Erkältung, die mich geschwächt hat.«
Er musterte sie sorgsam. »Ihr seid immer noch sehr blass. Habt Ihr Schmerzen?«
Emilia schüttelte den Kopf, dann bekam sie einen Hustenanfall und hielt sich das Schnupftuch gegen den Mund. »Nur diesen Husten, den werde ich nicht los«, presste sie hervor.
»Den habt Ihr seit dem Fieber? Werft Ihr Sputum aus?«
»Ja, sie hustet seit dem Fieber«, sagte Tante Minna. »Zeig das Tuch.«
»Kein Sputum«, wisperte Emilia, der der Rummel um ihre Person unangenehm war.
»Gut, dann werde ich Euch abhören müssen.« Er wandte sich zu Tante Minna. »Isst Ihre Nichte vernünftig?«
»Wie ein Spatz, auch wenn wir ihr alle nur erdenklichen Leckereien vorsetzen.«
»Fräulein Bregartner, ich muss Ihre Lunge abhören.« Er nahm ein Hörrohr aus seiner Tasche.
»Ist das wirklich …«
»Mein liebes Fräulein, ich bin hier als Arzt und nicht als Besucher Eurer Familie. Ihr müsst Euch nicht genieren, wenn ich Brust und Rücken abhöre.«
Emilia senkte den Kopf, das Blut pochte in ihren Schläfen.
»Ich muss das Kleid aufknöpfen?«
»Nun komm schon, Kind«, sagte die Tante resolut und trat zu Emilia. »Ich helfe dir.«
»Die oberen Knöpfe
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