Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
kommen«, bat Emilia.
Jule knickste und ging. Es war ihr anzumerken, dass sie froh war, den Raum verlassen zu können. Emilia ließ sich zurück in die nassgeschwitzten Kissen sinken. Sie fühlte sich so unwohl, hätte am liebsten das Gewand und die Bettwäsche gewechselt, sich gewaschen, aber sie wusste, dass ihr die Kraft dazu fehlte. Die nassen Lappen hingen schlaff um ihre Waden, sie kühlten nicht mehr, sondern waren nurnoch unangenehm feucht. Das Feuer im Ofen brannte unablässig und die Luft war heiß und stickig.
»Emma?« Die Tür öffnete sich einen Spalt und ihre kleine Cousine Mathilda schaute hinein. »Lebst du noch?«
»Ja!« Emilia lachte leise. »Du Süße, du solltest nicht hier sein, ich bin leider krank.«
»Ich weiß. Mutter hat auch befohlen, dass niemand außer Jule diese Etage betritt.«
»Und dennoch hast du dich gewagt?«
»Ich war in der Küche. Mutter bespricht sich mit der Schneiderin, sie probieren die Kleider für den Ball an. Und Herr Grünwald und Jasper sind in Studien vertieft. Niemand hat Zeit für mich. Deshalb war ich ja auch in der Küche.« Das Kind schaute ernsthaft, hielt sich immer noch am Knauf fest und spähte um die Türkante. »Kara schien ganz unglücklich. Sie will wohl zu dir.«
»Ach ja.« Emilia seufzte. »Ich hätte sie auch gerne hier.«
»Bist du nicht zu krank?«
»Für den Hund?« Emilia lächelte. »Nein, dafür nicht.«
»Gut.« Mathilda öffnete die Tür und die junge Hündin stürmte herein. Sie lief zum Bett und blieb davor stehen, ihre Rute wedelte wild vor Freude. Winselnd leckte sie Emilias Hand ab.
»Meine Süße«, flüsterte Emilia froh.
»Wirst du jetzt wieder gesund?«, fragte Mathilda. »Damit du mir weiterhin Geschichten vorlesen kannst?«
»Bestimmt. Aber nun geh schnell, bevor dich jemand erwischt. Deine Mutter wäre nicht erfreut, dich hier vorzufinden.«
»Ach, sie ist beschäftigt.« Mathilda zog eine Schnute. »Aber ich geh nur, wenn ich später wiederkommen darf.«
»Das darfst du. Und sobald es mir bessergeht, lese ich dir auch wieder Geschichten vor.«
»Hoffentlich bald«, wisperte das kleine Mädchen. Und dann zog sie die Tür leise hinter sich zu.
Ich hoffe, dachte Emilia und schloss die Augen. Die Hündin legte den Kopf auf die Bettkante und jammerte leise.
»Nun komm schon«, murmelte Emilia und fühlte sogleich den warmen und weichen Hundekörper an ihrer Seite.
»Ihr habt nach mit verlangt?« Die Mamsell blieb in der Tür stehen.
»Fürchtet Ihr Euch auch vor mir und meiner Krankheit?«, fragte Emilia traurig.
»Oh nein. Wer fürchtet sich denn vor Euch?« Die Mamsell trat in das Zimmer.
»Jule.«
Die Mamsell zog die Stirn kraus. »Sie sollte sich um Euch kümmern, das hat sie aber nicht ausreichend getan. Das wird Konsequenzen haben.«
Emilia schluckte. Sie wollte nicht, dass die Magd wegen ihr Ärger bekam.
»Friert Ihr?«, fragte die Mamsell dann.
»Im Moment nicht.«
»Dann werde ich lüften. Die Hitze und der Gestank sind ja nicht auszuhalten. Wenn Euch das recht ist, jedenfalls.«
»Ich bin ganz verschwitzt …«
Die Mamsell kam zu ihr und fühlte Stirn und Wangen. »Das Fieber ist gesunken. Ist Euch noch übel?«
»Mir ist flau und ich werde den bitteren Geschmack des Tees nicht los …«
»Ihr habt seit zwei Tagen nichts gegessen, kein Wunder, dass Euch flau ist. Ich lasse Euch etwas bringen. Aber zuvor wechseln wir Wäsche und Bettbezüge und dann wird gelüftet. Wie ich sehe, hat sich Kara schon hochgeschlichen. Sie hat es kaum ausgehalten ohne Euch, hat auch keine Leckereien angenommen.«
»Zwei Tage?«, fragte Emilia verblüfft und sah zum Fenster, doch draußen war es genauso düster wie vorhin, als sie aufgewacht war. Vorhin war vorgestern? Das konnte sie kaum glauben. »Welcher Tag ist heute?«
»Donnerstag, der vierundzwanzigste November. Es ist fast sechs Uhr abends. Ihr habt den gestrigen Tag und den heutigen verschlafen.«Die Mamsell lächelte. »Ich schicke Jule, damit sie Euch hilft und Ihr Euch frisch machen könnt.«
»Wartet!« Emilia setzte sich auf. »Jule möchte nicht. Sie fürchtet sich doch vor mir und meiner Krankheit.«
»Sie ist ein dummes Ding.«
»Das mag sein, Mamsell, aber ich fühle mich nicht wohl dabei, wenn sie etwas tun muss, vor dem sie sich fürchtet.«
Die Mamsell blieb für einen Moment nachdenklich an der Tür stehen, dann drehte sie sich zu Emilia um. »Es ist ihre Aufgabe und sie hat sie zu erfüllen. Tut sie es nicht, muss sie sich eine andere
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