Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Glas und nippte daran.
Lessing leerte sein Glas hastig, wischte sich über den Mund. Er wirkte unsicher. Er trat zu Emilia, zog sie an sich heran, küsste sie. »Ich liebe dich«, murmelte er.
Zögerlich erwiderte sie den Kuss. Es war anders als die Male zuvor in Mettes Küche, das wusste sie.
Carl bemerkte ihre Unsicherheit und ließ sie los. Emilia nahm das Glas Wein, trank einen großen Schluck, dann noch einen. Der Alkohol wärmte ihren Magen, sie fühlte sich plötzlich viel leichter. Und dennoch saß die Furcht vor dem, was kommen würde, in ihrem Nacken.
Er wartete, sein Gesicht war wie von Fieber gerötet. Auch ihr stieg die Hitze in die Wangen, oder war es die Scham?
»Soll ich gehen?«, fragte er leise.
Emilia schüttelte den Kopf, trank den letzten Schluck und stellte das Glas wieder ab.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie. Er lächelte, beugte sich vor und das Lächeln wurde zu einem langen, weichen Kuss. Seine Hand war unter ihrem Haarknoten, hob ihn hoch. Mit dem Daumen strich er über ihren Hals, Emilia erschauerte.
Sie berührte sein Gesicht, die raue Haut an den Wangen, strich über den weichen Bart. Ein weiterer Schauer lief über ihre Fingerspitzen, durch den Arm, die Brust und wieder zurück. Etwas in ihr sehnte sich danach, ihm noch näher zu sein. Sie ließ sich fallen in das Gefühl des Verlangens, gab ihm nach. Emilia schloss die Augen. Sie wollte nur noch fühlen und riechen und schmecken. Seine Zunge strich über ihre Lippen, zart und sanft, dann wurde der Kuss fester und begehrlicher. Hektisch öffneten sie Knöpfe, Schlaufen und Ösen, ließen die Kleidung achtlos zu Boden fallen. Wie im Fieber und immer noch aneinandergepresst taumelten sie zum Bett.
Mitten in der Nacht wurde Emilia wach. Ein kalter Luftzug strich über ihren nackten Körper. Sie zuckte erschrocken zusammen, zog die Decke über sich. Die Kerze war fast heruntergebrannt, der diffuse Lichtschein flackerte, so dass das ganze Zimmer unwirklich schien.Sie drehte sich zur Seite, zu Carl. Plötzlich erinnerte sie sich wieder an alles, an jeden Kuss, jede Berührung. Es hatte weh getan, aber nur kurz, und dann hatte die Begierde sie erfasst.
So ist das also, dachte sie und lächelte, dann schloss sie die Augen und schlief wieder ein.
Am nächsten Morgen, als sie in die Küche kam, musterte Inken sie, dann zog ein Grinsen über ihr Gesicht. »Du strahlst«, sagte sie zufrieden.
»Ich habe nicht gewusst, dass es … so sein würde.« Emilia seufzte. »Ich will nicht, dass er heute wieder nach Hamburg zurückkehrt.«
Jetzt lachte Inken laut. »Es sind doch nur ein paar Tage, Täubchen, und dann bist du für immer mit ihm vereint. Lass ihn deine Aussteuer an Bord bringen und eure Räume einrichten. Er wird auch noch das ein oder andere zu erledigen haben.«
»Ich weiß. Und Onkel und Tante sollten noch nichts erfahren, damit sie uns nicht aufhalten können.«
»Nach dieser Nacht werden sie das wohl nicht tun«, sagte Inken und klang zufrieden.
Am achten November 1856 holte Lessing Emilia mit der Kutsche aus Othmarschen ab. Er kam am frühen Morgen, als der Nebel noch das Land bedeckte.
Der Abschied zwischen Inken und Emilia war innig. Sie hielten sich fest, als wollten sie nicht mehr loslassen.
»Ich komme wieder, Inken, ganz bestimmt. Und ich werde dir schreiben, das verspreche ich dir. Ich werde dich nie vergessen, werde nie vergessen, was du für mich getan hast.«
»Ach, Täubchen.« Inken rieb sich die Tränen von den Wangen. »Hier wirst du immer ein Zuhause haben. Und wehe, er benimmt sich nicht anständig dir gegenüber. Pass gut auf dich auf, mein Kind.«
Immer wieder schaute Emilia sich um, nachdem sie in die Kutsche gestiegen war. Obschon es ihr innigster Wunsch war, Lessing zu heiraten und mit ihm zur See zu fahren, schmerzte der Abschied. Einneuer Abschnitt in ihrem Leben würde beginnen, ganz unbekannt und voller Unsicherheiten.
Die Äcker am Wegesrand schienen im Nebel zu schlafen. Grauund Gelbtöne der Natur wechselten sich ab, Eisregen fiel. Feuchter Frost machte aus den Büschen riesige Pelztiere. Die Wasserfläche der Elbe war metallisch glatt.
Lessing nahm ihre Hand, drückte sie. »Bereust du es?«, fragte er leise.
»Nein, nein. Aber dies war meine Heimat bisher, mein sicherer Hafen, in den ich flüchten konnte.«
»Emma, ich werde immer für dich da sein, dich beschützen und bewachen. Ich werde, soweit es in meiner Macht steht, dafür sorgen, dass es dir an nichts mangelt.« Er klang so
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