Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
getraut. Nur der Pfarrer war anwesend, seine Haushälterin und der Küster gaben die Trauzeugen.
Lessing brachte Emilia zum Hafen. Vor der »C. F. Lessing« blieb sie stehen und holte tief Luft. Von nun an sollte dieses Schiff ihre Heimat und ihr Haus sein. Sie sah Lessing an, lächelte. Dann küsste sie ihn.
»Jetzt beginnt unser Leben!«
Die Mannschaft stand aufgereiht rechts und links von der Gangway.
»Hipp, hipp, hurra dem Brautpaar!«, riefen sie, als Emilia und Carl an Bord kamen.
»Meine Herren, darf ich vorstellen: Frau Lessing. Emma – dies ist mein erster Steuermann, Herr Wölsch«, sagte Carl stolz. »Der zweite Steuermann, Herr Gleesberg. Herr Beck, Segelmacher. Julius Kock, unser Steward. Sörensen, Palmer, McPhail – Vollmatrosen. Paulsen – Brüder und Leichtmatrosen. De Tries, unser Smutje. Und Ferdinand, Schiffsjunge.«
Emilia reichte jedem die Hand, schaute in die Gesichter. Mit diesen Männern würde sie nun monatelang zusammen sein. De Tries, der Koch, hatte eine wettergegerbte Haut, die von tiefen Falten durchzogen war. Doch seine blauen Augen blitzten und der Schalk schien ihm im Nacken zu sitzen. Er zwinkerte ihr fröhlich zu.
Dann führte Carl sie in die Kajüte und von dort aus in seine Kammer. Sein Schlafgemach, das nun auch ihres sein würde, hatte sie noch nicht gesehen und voller Neugierde blickte sie sich um. An den Wänden hingen seine Gewehre, über dem Bett, das verbreitert worden war, zwei Äxte. Die Koje selbst war mit Kopf- und Fußende fest in die Seitenwände gefügt und hatte vorn zwei Pfosten, die Emilia verwunderten.
»Die Äxte sind für den Notfall«, erklärte Carl ihr. »Zum Kappen der Masten oder Taue. Und die Pfosten wirst du noch schätzen lernen, Liebes. Daran kann man sich bei kabbeliger See festhalten oder sich dagegenstemmen, wenn das Schiff in der Dünung rollt.«
Emilia schaute sich weiter um. Ein kleines Sofa, ein Sekretär und Carls Seekiste standen auf der einen Seite, ein Waschtisch, ein Wandschrank und eine Kommode auf der anderen.
»Wo sind meine Sachen?«, fragte sie. »In diesem Schrank?«
Sie hatte nur eine Teppichtasche mit dem Nötigsten bei sich, ihre anderen Sachen waren schon vorher auf das Schiff gebracht worden.
»Einiges. Das meiste aber haben wir in die Lotsenkammer geräumt. Ich zeig es dir.«
Die Lotsenkammer lag neben dem mit Blech ausgeschlagenen Ofenkämmerchen. Das Bett für den Lotsen war entfernt worden, auf Borden an den Wänden befanden sich Emilias Bücher, ihre Schreibsachen und die anderen Dinge, die Inken ihr eingepackt hatte. An Haken an der Wand hingen die Schuh- und Strumpfsäcke, in dem Wandschrank waren ihre neuen Kleider verstaut. Carl nahm ihr den Mantel ab und hängte ihn an einen Haken.
»Du wirst dich hier bald zurechtfinden«, versprach Carl ihr. Er legte ihr die Hände ums Gesicht und küsste sie zärtlich. »Magst du dich ein wenig frisch machen? Ich weiß, dass der Smutje eine Leckerei für uns gekocht hat. Wir essen meist gemeinsam mit dem Steuermann, der keine Wache hat. Bei schlechtem Wetter oder bei gefährlichen Passagen teile ich die Wache des zweiten Steuermanns, Gleesberg.«
Ihr schwirrte der Kopf von all den Namen und Informationen. Carl zeigte ihr die Tür zu ihrer Kammer, ließ sie dann allein. Erleichtertsetzte sie sich aufs Bett, das mit der Wäsche aus Othmarschen bezogen war. Karamell legte sich auf den Boden zu ihren Füßen, gähnte herzhaft und schloss dann die Augen.
»Du scheinst dich hier schon heimisch zu fühlen. Dann werde ich es auch bald.«
Auf dem Sekretär stand eine Blechdose, die ihr bekannt vorkam. Sie nahm sie und öffnete den Deckel. Darin waren kleine Säckchen aus Organza, die Inken mit verschiedenen getrockneten Kräutern gefüllt hatte.
»Ach, meine liebe Inken«, seufzte Emilia. Der Geruch von Kamille und Schafgarbe erfüllte die Kammer und plötzlich schien alles nicht mehr so fremd. Sie schloss die Dose sorgfältig und stellte sie wieder ab. Das Wasser im Krug war warm, jemand musste es kurz zuvor gebracht haben. Sie wusch sich Hände und Gesicht, richtete die Haare und besah sich in dem kleinen Spiegel.
Frau Carl Gotthold Lessing. Sie war jetzt eine verheiratete Frau. Ein ungewohnter, seltsamer Gedanke. Doch sie würde von nun an mit Carl zusammenleben. Emilia straffte die Schultern. Es war Zeit, sich dem neuen Leben zu stellen.
Da das Schiff noch im Hafen lag, waren beide Steuermänner in der Kajüte. Sie und Carl standen auf, als Emilia den Raum betrat.
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