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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Hirngespinst. So etwas schickt sich nicht!«
    »Es ist unser Wunsch«, sagte Emilia. »Ich möchte mein Leben mit Carl Gotthold verbringen.«
    »Geh sofort auf dein Zimmer«, schrie Tante Minna aufgebracht. »Es kommt überhaupt nicht in Frage, dass du diesen hergelaufenen Nichtsnutz ehelichst.«
    Emilia räusperte sich, warf Lessing einen kurzen Blick zu, dann streckte sie das Kinn vor. »Ich werde ihn heiraten müssen, liebe Tante.«
    »Nichts musst du!« Dann schlug Tante Minna die Hand vor den Mund.
    »Wie bitte?«, fragte Onkel Hinrich fassungslos.
    »Ich werde ihn heiraten müssen«, wiederholte Emilia.
    »So ein Unfug«, flüsterte nun die Tante. »Das glaube ich nicht. Du warst in Othmarschen bei Inken, und Tine hat auf dich aufgepasst.«
    »Ich hoffe, es stimmt nicht, was meine Nichte behauptet.« Onkel Hinrich sah Lessing wütend an.
    »Wir lieben uns und wir haben gute Gründe zu heiraten.« Lessing hob den Kopf und lächelte.
    »Ihr habt meine Nichte entehrt?«
    »Ich liebe sie.«
    »Ihr habt tatsächlich …« Onkel Hinrich trat einen Schritt zurück. »Verlasst sofort mein Haus. Ich werde Maßnahmen gegen Euch ergreifen. Wie könnt Ihr es wagen?«
    »Nun gut. Wir hatten gehofft, dass Ihr uns Euren Segen gebt«, sagte Lessing gelassen. »Dies scheint nicht der Fall zu sein. Komm, Emma.«
    »Du gehst nicht!«, brüllte der Onkel. »Emilia! Du bleibst hier!«
    »Lieber Onkel«, sagte sie immer noch freundlich. »Ich bin für deine Pläne unbrauchbar geworden. Ich habe mich aus freiem Willen hingegeben. Niemand in euren Kreisen würde mich jetzt noch wollen. Mein sehnlichster Wunsch ist es, Carl Gotthold zu heiraten. Mit oder ohne deinen Segen.« Sie nahm Lessings Hand und ging mit ihm zur Tür. »Solltet ihr Zweifel haben, fragt Tine. Sie ist ihrer Pflicht, auf mich zu aufzupassen, nicht nachgekommen.«
    »Emma!«, rief Tante Minna. »Oh Gott.« Sie presste die Hand auf die Brust. »Ich werde ohnmächtig …«
    »Mamsell!«, rief Onkel Hinrich. Das war das Letzte, was Emilia hörte, als die Tür hinter ihnen ins Schloss fiel.
    Schweigend half Lessing ihr in die Kutsche, setzte sich neben sie.
    »Ich hatte mir ein anderes, besseres Gespräch gewünscht«, sagte er leise. »Es tut mir leid.«
    Emilia legte ihm die Hand auf den Arm. »Das muss es nicht.«
    Die Kutsche setzte sich in Bewegung und fuhr sie zum Hafen. Ist das jetzt das letzte Mal, dachte Emilia verwundert, dass ich den Weg vom Haus meines Onkels zum Hafen sehe? Werde ich jemals in das Haus an der Alster zurückkehren? Sie fühlte in sich hinein, doch bis auf eine leichte Wehmut empfand sie kein Bedauern.
    »Ich habe schon vorsorglich ein Zimmer für dich gemietet«, sagte Lessing.
    »Aber … bringst du mich nicht zum Schiff?«
    »Nein, diese eine Nacht solltest du in der Pension verbringen. Ich möchte nicht, dass sich alle Welt das Maul über dich zerreißt.«
    »Das werden sie so oder so tun.«
    »Möglich, dennoch werden wir wenigstens für diese Nacht den Anstand wahren. Morgen werden wir getraut, ich habe mit dem Pfarrer gesprochen und alles vereinbart. Er wird uns auch ohne die Genehmigung deines Onkels verheiraten.«
    »Morgen also.«
    »Ja, morgen wirst du meine Frau werden, und dann bringe ich dich auf das Schiff.«
    In dieser Nacht schlief Emilia kaum. Bei jedem Geräusch zuckte sie zusammen, vor Sorge, ihr Onkel käme, um sie zu holen. Allein Karamell stand ihr zur Seite und legte immer wieder den Kopf auf ihren Schoß, so, als würde sie die Unruhe des Frauchens verstehen und sie trösten wollen.
    Am nächsten Morgen wurde ihr ein Brief gebracht.
    »Emilia,
    wir sind entsetzt und enttäuscht von dir. Du hast Schande über unsere Familie gebracht. Niemals hätten wir das von dir gedacht. Wir haben dir ein Heim gegeben und für dich gesorgt wie für unsere eigenenKinder, und du dankst uns das mit Niedertracht und Schmach. Ich habe deinem Vater telegrafiert und ihn von dieser unschönen Entwicklung in Kenntnis gesetzt. Dies ist deine letzte Möglichkeit in den Schoß der Familie zurückzukehren. Solltest du deine Pläne jedoch in die Tat umsetzen, werden wir jede Verbindung zu dir abbrechen. Auf Unterstützung kannst du dann nicht mehr hoffen. Überlege dir gut, was du tust!
    Hinrich Bregartner«
    Sie faltete den Brief sorgsam zusammen und steckte ihn in ihr Tagebuch. Dann setzte sie sich ans Fenster und wartete auf Lessing.
    Am Sonntag, den neunten November 1856, wurden Carl Gotthold Lessing und Emilia Frederika Bregartner in Hamburg

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