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Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney

Titel: Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Renk
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Unsicher blieben sie stehen und auch Emilia wusste zuerst nicht, wie sie sich verhalten sollte. Dann lächelte sie und trat an den Tisch. »Ich habe gehört, dass es hier etwas zu essen geben soll.«
    »Setz dich, Liebes.« Carl machte ihr auf der Bank Platz. »Der Steward kommt gleich. Zur Feier des Tages habe ich eine Flasche Rotwein entkorken lassen.« Er schenkte ihnen ein.
    »Auf Ihr Wohl, gnädige Frau«, sagte Wölsch, der erste Steuermann.
    »Auf Ihr Wohl«, fügte Gleesberg leiser hinzu. Immer noch unsicher nahmen die beiden ihr gegenüber Platz.
    Der Steward brachte die Teller und Schüsseln, es gab Rinderbraten, den selbst Inken nicht zarter hätte schmoren können.
    Nach und nach entspannten sich die Steuermänner. Sie unterhieltensich über Gemeinplätze, das Wetter und die Lieblingsspeisen. Zum Nachtisch gab es Torte.
    »Der Koch scheint ja ein wahrer Zauberkünstler zu sein«, meinte Emilia verblüfft. »Richtet ihm aus, dass das Essen köstlich war.«
    »Behaltet es gut in Erinnerung«, meinte Wölsch. »In einigen Monaten werden wir froh sein, Fisch fangen zu können, damit wir nicht nur Pökelware auf den Tisch bekommen.«
    »Wie sieht es aus?«, fragte Carl und wurde plötzlich ernst. »Der Ballast ist geladen. Sand und Steine haben wir, die wir in Cardiff gegen Kohlen tauschen.«
    »Ja, der Ballast wurde gebracht und verstaut. Auch die meisten Lebensmittel sind schon an Bord«, sagte Wölsch. »Ich werde gleich noch einmal mit dem Smutje die Listen durchgehen.«
    »Der Wind frischt auf. Wir sollten das nutzen und spätestens am Dienstag in See stechen. Der Lotse ist bestellt«, meinte Gleesberg.
    »Die Mannschaft ist vollzählig.« Carl nickte. »Dann können wir wirklich bald los.«
    »Ich werde morgen früh die Chronometer holen«, beeilte sich Wölsch zu sagen.
    »Hoffentlich haben wir diesmal Glück im Kanal.«
    Emilia lauschte den Gesprächen still, aber voller Interesse. Noch sagten ihr die meisten Dinge nicht viel, aber von nun an würde die Seefahrt Teil ihres Lebens sein.
    »Und die Katze?«, fragte Gleesberg.
    »Die bringt der Lotse mit, so ist es abgesprochen.«
    »Dann haben wir tatsächlich alles.« Carl nickte zufrieden und hob sein Glas. »Auf eine gute Fahrt!«
    Dies und jenes wurde noch besprochen, dann verabschiedeten sich die Steuermänner zur Nacht.
    »Komm«, sagte Carl und nahm Emilia an die Hand. Er holte ihren Mantel, zog sich die Jacke über und führte sie auf das Oberdeck. Der Mond schien hell über dem Hafen. Aus den Kneipen ertönten die lauten und rauen Gesänge der Seeleute, Frauen lachten schrill. Aus derFerne klangen die Geräusche der Stadt bei Nacht, das Rattern von Kutschrädern auf dem Kopfsteinpflaster, das Wiehern der Pferde im Mietstall. Das Wasser im Hafen gurgelte und schwappte zwischen Kaimauer und Schiff. Nebelschwaden zogen dicht über dem Wasser, die Luft war kalt und roch nach Kohlenfeuer.
    »Hast du Angst?«, fragte Carl leise.
    »Mit dir an meiner Seite nicht.«
    Sie gingen in ihre Kammer und liebten sich. Diesmal war es anders, nicht so hektisch und ungestüm. Sie nahmen sich Zeit, genossen die Nähe des anderen. Bald schon hörte Emilia die tiefen und regelmäßigen Atemzüge ihres Mannes. Sie selbst konnte nicht in den Schlaf finden, auch wenn sie in der vergangenen Nacht kaum ein Auge zugetan hatte. Es war ungewohnt und fremd, neben Carl zu liegen, gleichzeitig war er ihr doch schon auf eine gewisse Art vertraut. Die Geräusche um sie herum ließen sie nicht einschlafen. Das Schiff ächzte und knackte, das Wasser schlug platschend gegen die Seitenwände, der Wind fing sich in der Takelage und brachte ein Tau zum Knattern. Mäuse trippelten im Unterdeck und einer der Steuermänner, die zwei Kammern weiter schliefen, schnarchte laut. Irgendwann fiel sie doch in einen unruhigen Schlaf. Früh am nächsten Morgen wurde sie durch das laute Rufen auf dem Schiff am nächsten Kai geweckt. Sie hörte das Taktsingen der Matrosen, die die Leinen einholten – das Schiff legte ab.
    »Morgen«, sagte Carl und küsste sie zärtlich, »morgen werden wir auch in See stechen.«
    Hektische Betriebsamkeit herrschte den ganzen Tag über an Bord. Die letzten Sachen wurden gebracht, Rechnungen beglichen, der erste Steuermann brachte die beiden Chronometer und legte sie sorgsam in das Kästchen, das mit Wolle und Samt ausgepolstert war.
    »Wir brauchen sie, um unsere Position bestimmen zu können«, erklärte Carl ihr.
    Emilia hatte das Gefühl, überall im Weg zu sein

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