Die Australierin - Von Hamburg nach Sydney
Wind auf und sie konnten den Kanal von Bristol passieren. Im Hafen wurde der Ballast gelöscht. Carl eilte zum Agenten und zum Konsul, um die Charter bestätigen zu lassen. Er hatte Emilia angeboten, sie mit an Land zu nehmen, und gerne folgte sie seiner Einladung.
Englischer Boden unter ihren Füßen. Zuerst dachte sie, der Boden schwankte schlimmer als das Schiff, doch Carl erklärte ihr, dass der Körper sich wohl erst wieder umstellen müsse. Er behielt recht, schon bald merkte sie nichts mehr.
England! Seit sie acht Jahre alt war, sehnte sie sich danach, in dieses Land zu kommen. Hier lebten ihre Eltern. Sie hoffte, dass sie sie aufsuchen konnten.
Doch beim Kontor erwartete sie schon ein Brief ihres Vaters.
»Emilia,
mein Bruder hat mir gekabelt und ich habe seine Nachricht mit Entsetzen gelesen. Du hast Schande über die Familie gebracht, vor allem über deine Tante und deinen Onkel. Wie konntest du das nur wagen? Jahrelang haben sie sich für dich aufgeopfert, dir Heimat und Zuhause geboten. Du hattest alle Annehmlichkeiten einer Tochter aus gutem Hause. Du hast Erziehung und Bildung genossen. Es erschreckt uns sehr, dass du all dies zerstörst und einen anderen Lebensweg, als den für dich bestimmten, wählst.
Deine Mutter und ich sind verzweifelt darüber, dass du nicht an die Familie denkst, deine egoistischen Wünsche auf eine Art durchsetzt, die Schmach über meinen Bruder und seine Frau bringt.
Es ist deine Entscheidung gewesen.
Von nun an habe ich keine Tochter mehr.
Martin Bregartner«
Jedes Wort war wie eine Ohrfeige, und Emilia musste sich setzen, so getroffen war sie. Sie hatte schließlich immer noch gehofft, bei ihren Eltern auf Verständnis zu stoßen. Wenigstens die Möglichkeit, sich zu erklären, hätte sie sich gewünscht.
»Emma.« Carl nahm ihre Hand. »Es tut mir so leid.«
»Ja, mir auch«, sagte Emilia flach. »Sie haben eine Tochter verloren. Möglich, dass sie es irgendwann bereuen.« Sie holte tief Luft. »Ich brauche noch dies und jenes und habe an der Ecke ein paar Läden gesehen.«
Carl gab ihr eine Börse. »Kaufe nach Herzenslust ein und lass es zurücklegen, ich nehme es dann auf dem Rückweg mit. Mich halten die Geschäfte noch ein wenig im Kontor.«
Emilia nahm die Leine von Karamell fest in die Hand, ging zur Tür und dann die Straße hinunter. Es war das erste Mal, dass sie als verheiratete Frau einkaufen ging. Es war auch das erste Mal, dass sie etwas für ihren eigenen »Haushalt« kaufte. Natürlich hatte sie schon einiges erworben, aber das waren immer nur Kleinigkeiten gewesen. Um dieDinge des täglichen Bedarfs hatte sich die Mamsell gekümmert, den Kauf und das Nähen der Kleidung hatte Tante Minna überwacht.
Inken hatte Emilias Kisten gepackt. Nur die Bücher hatte sie selbst ausgesucht, denn ohne Bücher wollte sie nicht fahren. Sie hatte aus dem reichen Vorrat in Othmarschen geschöpft und fast dreißig Bücher mitgenommen.
Nun aber, wo sie auf dem Schiff lebte, war alles anders. Der Smutje kochte, der Steward war eine Mischung aus Dienstmagd und Bursche, er räumte auf, brachte Wasser, servierte das Essen und putzte. Er war für alle Tätigkeiten im »Haushalt« zuständig.
Ein Mann, der ihre Sachen wegräumte, der Staub wischte und feudelte. Es war auch der Steward, der die Wäsche wusch und stopfte. Emilia war es unangenehm, dass er ihre persönliche Wäsche wusch, deshalb hatte sie beschlossen, die intimen Sachen selbst zu übernehmen.
Sie hatte auch festgestellt, dass ihr einige Dinge fehlten, die wollte sie nun besorgen.
Als sie mit ihren Einkäufen fertig war, ging sie zurück zum Kontor, doch da war Carl nicht mehr. Langsam schlenderte sie zurück zum Hafen. Am Kai wartete schon das Ruderboot, um die Mannschaft, die Landgang hatte, und die Einkäufe zurück zur ›Lessing‹ zu bringen.
Eine Kiste wurde von zwei der Matrosen in das Boot gehoben. Karamell bellte laut und aufgeregt.
»Gnädige Frau.« Die Männer zogen ihre Mützen, setzten sie sogleich wieder auf, und sicherten die Kiste.
»Was ist da drin?«, wollte Emilia neugierig wissen.
»Drei Schweinchen. Und außerdem zehn Hühner und ein Hahn.« Sie deuteten auf eine zweite Kiste am Kai.
»Die nehmen wir mit?«, fragte sie verblüfft und hörte nun auch das aufgebrachte Quieken der Schweine.
»Aye. Und hoffentlich bekommen sie auch noch Ferkelchen. Und die Hühner werden lange Eier legen. Ansonsten wird der Smutje sich ihrer annehmen.« Die beiden lachten.
Eine Kiste nach
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