Die Auswahl. Cassia und Ky
bei Ihnen anders ablaufen. Viele der Eingangsinformationen über den jeweils anderen sind Ihnen schon bekannt.« Sie zeigt auf unsere Silberkästchen. »Ihre Mikrochips enthalten einige Verhaltensregeln für die Zeit vor der Eheschließung. Machen Sie sich in Ruhe mit ihnen vertraut.«
»Wir lesen sie noch heute Abend«, verspricht Xander ernsthaft. Ich muss mich beherrschen, um nicht amüsiert die Augen zu verdrehen, weil er genauso klingt wie in der Schule, wenn ein Lehrer ihm eine Aufgabe stellt. Er wird die Verhaltensregeln lesen und auswendig lernen, genauso wie er den offiziellen Stoff über die Paarung gelernt hat. Plötzlich fällt mir eine Passage daraus ein, und ich erröte.
Falls Sie sich bereit erklärt haben, gepaart zu werden, wird der Ehevertrag geschlossen, wenn Sie das einundzwanzigste Lebensjahr erreicht haben. Forschungen haben ergeben, dass die Fruchtbarkeit sowohl von Männern als auch von Frauen mit vierundzwanzig Jahren ihren Höhepunkt erreicht. Das Paarungssystem ist darauf ausgelegt, den Paarungswilligen zu ermöglichen, ihre Kinder zu diesem Zeitpunkt zu gebären und ihnen damit die höchste Wahrscheinlichkeit gesunder Nachkommen zu garantieren.
Xander und ich werden einen Ehevertrag abschließen.
Wir werden zusammen Kinder haben.
Ich muss die nächsten Jahre nicht damit verbringen, alles über ihn zu erfahren, da ich ihn bereits fast so gut kenne wie mich selbst.
Da spüre ich ganz überraschend einen winzigen Stich der Enttäuschung. Meine Altersgenossinnen werden die nächsten Tage damit verbringen, die Bilder ihrer Partner anzuhimmeln, während der Nahrungsaufnahme in der Schule mit ihnen anzugeben und darauf zu brennen, Stück für Stück weitere Informationen über sie zu enthalten. Sie werden dem ersten Treffen, dem zweiten Treffen entgegenfiebern und so weiter. Zwischen Xander und mir gibt es keine großen Geheimnisse. Ich werde mich nicht fragen, wie er wohl ist oder von unserem ersten Treffen träumen.
Doch dann blickt mich Xander an und fragt: »Und? Was sagst du dazu?«, und ich antworte: »Ich finde, dass es ein glücklicher Zufall ist« – und meine es ernst. Es gibt immer noch vieles zu entdecken. Bisher habe ich Xander als Freund betrachtet. Von jetzt an ist er mein Partner.
Die Moderatorin berichtigt mich wohlwollend. »Kein Zufall, Cassia. Es gibt keine Zufälle in der Gesellschaft.«
Ich nicke.
Natürlich nicht.
Ich hätte es besser wissen müssen und nicht diese veraltete Ausdrucksweise benutzen sollen. Jetzt gibt es nur noch Wahrscheinlichkeit. Wie wahrscheinlich es ist, dass irgendetwas eintritt, oder wie unwahrscheinlich.
Wieder lächelt die Moderatorin. »Es war ein aufregender Abend, und es ist spät geworden. Sie können die Verhaltensregeln ein andermal lesen, es muss nicht unbedingt heute sein. Sie haben noch viel Zeit.«
Sie hat recht. Das hat uns die Gesellschaft geschenkt: Zeit. Wir leben länger und besser als alle anderen Menschen zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in der Geschichte. Und diese Tatsache verdanken wir zu einem großen Teil dem Paarungssystem, das körperlich und seelisch gesunden Nachwuchs garantiert.
Und ich bin ein Teil dieses Systems.
Meine Eltern und die Carrows können sich gar nicht genug darüber freuen, wie wunderbar das alles war, und als wir gemeinsam die Marmortreppe der Stadthalle hinunterlaufen, beugt sich Xander zu mir und flüstert: »Man könnte meinen, sie hätten das alles arrangiert.«
»Ich kann es noch gar nicht fassen!«, sage ich. Der kurze Augenblick der Enttäuschung ist verflogen. Ich fühle mich begünstigt und sogar ein bisschen übermütig. Ich kann kaum glauben, dass ich das bin, in dem wunderschönen grünen Kleid, in einer Hand Gold, in der anderen Silber, an der Seite meines besten Freundes, der von nun an mein Partner ist.
»Mir fällt es nicht so schwer«, neckt mich Xander. »Ich glaube, ich habe es schon vorher gewusst. Deswegen war ich nicht nervös.«
Ich lache. »Ich habe es auch gewusst. Gerade deswegen war ich so nervös!«
Wir müssen so sehr lachen, dass wir die Einfahrt des Airtrains erst gar nicht bemerken. Dann folgt ein kurzer Moment der Unsicherheit, als Xander die Hand ausstreckt, um mir hineinzuhelfen. »Komm«, sagt er, und ich weiß gar nicht, was ich tun soll. Erstens ist da etwas Neues zwischen uns, und zweitens habe ich die Hände voll.
Da legt Xander einfach seine Hand auf meine und zieht mich in den Zug.
»Danke«, sage ich, als sich die Tür hinter uns
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